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Roxelane

Titel: Roxelane
Autoren: Johannes Tralow
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gewandt.
    Der Kampf aber hatte begonnen.
    Fast lautlos ging er vor sich. Nur das Trappen der Füße, der röchelnde Laut ausgestoßenen Atems und Mustafas eigenes Keuchen waren zu hören, der dumpfe Aufschlag seiner Fäuste und Füße. Denn mit Fäusten, Füßen und Zähnen schlug, biß, stieß er in lebendiges Fleisch und in glotzende Augen. Knochen brachen. Blut aus den Mäulern und Nasen der Sklaven besudelte ihn.
    Er aber stand unversehrt! Nur mit der Schnur durften die Stummen ihn angehen. Seinen fürstlichen Leib blutig zu verletzen, war ihnen verwehrt.
    Noch stand Mustafa.
    Doch er taumelte.
    Einmal noch gelang es ihm, sich unter dem Gewicht dreier Körper zu erheben . . .
    Plötzlich stutzte er.
    Auch die Stummen horchten.
    Lärm der Waffen und Geschrei drang von außen herein.
    Kam man dem jungen Sultan zu Hilfe?
    Draußen rief man ihn zum Padischah aus. Wenn er sich nur wenige Augenblicke hielt, konnte er, statt ins Grab zu sinken, den Thron besteigen.
    Auch die Stummen zauderten und waren bereit, sich bei dem geringsten Zeichen eines Erfolgs dem jungen Gebieter zu Füßen zu werfen. Doch das Zeichen kam nicht, und allmählich verebbte der Lärm.
    Jetzt wußte Mustafa, daß es seine besten Freunde getroffen hatte: den Tschorbadschi Baschi bestimmt und wahrscheinlich auch seinen Ersten Stallmeister, der ihm befreundet gewesen war. Die Janitscharen hatte man niedergeritten und zerstreut. Seine Freunde waren ihm vorangegangen.
    Da schrie Mustafa!
    „Vater!“ schrie er. „Va . ..“, röchelte er.
    Er spürte die Schnur um seinen Hals.
    Nach seinem Vater hatte der Sohn gerufen, aber der Vater hatte ihn nicht gehört.
    In Mustafas Nacken wurde kunstvoll ein Knebel herumgewirbelt. Ein
    seidener Knoten preßte sich tief und tiefer in seine Gurgel. Die Augen kugelten aus ihren Höhlen ...
    Immer langsamer drehte der Knebel sich.
    Als dem Gedrosselten aber erst die Zunge heraustrat, lächelten die Stummen sich zu.
    Und dann wischten sie sich den Schweiß ab.
    Hatte die Janitschareneskorte Mustafa auch nicht das Lehen retten können, so empörten sich doch sämtliche Odas über seinen Tod. Soliman aber ritt furchtlos in die Rotten der Disziplinlosen hinein. „Was wollt ihr, meine Sklaven, die ihr mein Brot eßt?!“ rief er ihnen zu.
    Und alle sahen den ergrauten Kaiser, der sie in so vielen Kriegen geführt hatte. Ihr Geschrei wurde ein Murren.
    Doch als er sie dann weithin schallend fragte, ob sie ihn allein nach Persien reiten lassen wollen, um dort für den reinen Glauben und das Reich zu streiten - da heulten sie reuevoll auf, warfen zum Zeichen ihrer Trauer die weißen Ketschen zu Boden, und Alte und Junge weinten in ihre Bärte.
    Mit Freuden zögen sie auf Befehl des Padischahs nicht nur ins Ind und Sind, bis nach Indien und China, beteuerten sie wild durcheinander, sondern selbst bis zum Berg Kas der Sage!
    Ein Lächeln umspielte die Lippen des Kaisers, der seinen Sohn hatte töten lassen. Doch das Lächeln war von einer tiefen Trauer erfüllt und von einer Verachtung ohne Ende.
    Dann erst begab sich der Oberstkämmerer zu den Wesiren ins Diwanzelt und forderte Rustem das goldene Siegel ab. Und auch zu Haider Pascha sagte er die Formel der Absetzung: „Geh in dein Zelt.“
    Beide wurden für den Augenblick der Soldateska geopfert.
    Großwesir wurde Achmed Edris, und Mohammed Sokolli wurde Wesir der Kuppel.
    So mächtig aber wie je war Roxelane, und ihr Name ging als der einer Teufelin in die Welt.
    Ein Württemberger namens Nicolaus von Moffan, dessen ganze
    Kenntnis vom osmanischen Hof darauf beruhte, daß er in Konstantinopel Galeerensklave gewesen war und gerade zu dieser Zeit ausgelöst wurde, brachte in Augsburg eiligst ein Flugblatt von der ,Grausamen That des jetzigen Türkischen Kaysers Soltani Suleiman“ heraus, und der habsburgische Botschafter, der erst ein Jahr später aus Wien eintraf, zeigte sich in seiner Erzählung nicht viel besser unterrichtet.
    Die Dichter aber beweinten Mustafa und fluchten damit der Kaiserin. Darin hatten freilich alle recht: Roxelane war so mächtig wie je. Und doch lag sie jetzt in einem verzweifelten Kampf mit einem, der stärker als sie war.
    Roxelane rang um Dschihangirs Leben.
    Ein Nervenfieber hatte ihn ergriffen. Wochenlang lag er ohne Bewußtsein in den Kissen, und die Mutter wich nicht von seinem Bett. „Mutter ..sagte er eines Tages.
    Sein blasses Gesicht mit dem verwilderten Bart lag matt in den Kissen, und so sehr war Roxelane an den Anblick seiner
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