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Roxelane

Titel: Roxelane
Autoren: Johannes Tralow
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Kaisers. Doch hier empfing ihn eine noch weit größere Pracht, die auch er nicht erwartet hatte.
    Der ganze Hof, der sonst den Großherrn selbst bei feierlichen Audienzen umgab, war dem Sohn des Kaisers entgegengegangen und hatte sich vor dem Hauptzelt aufgestellt. Der Kapu Aga mit seinen Kapuoghli und den Baschi und Aga der drei Kammern stand zunächst dem Eingang. Der kaiserliche Schwertträger und die Herren des Steigbügels schlossen sich an. Die Tschausche unter ihrem Tschausch Baschi, die Taschnegire, die Truchsesse, die Kapidschi, die Kämmerer, das Korps der Hoffouriere der Muteferrika, deren Muteferrika Baschi der Kaiser selbst war - an achthundert Personen umgaben im Festprunk, flankiert von den Solaks, den Leibhartschieren, die Pforte des Kaisers.
    Zur Linken und Rechten aber grenzte die aufgesessene Reiterei einen Ehrenhof ab.
    Stumm verharrten die Gepanzerten als eine blinkende eiserne Mauer, die Timarli der Lehensreiterei, die angeworbenen Silihdare und die Soldsipahi Schemsi Paschas. Mit weißroten, weißgelben, grünen und ganz weißen Fahnen hielten sie da in Regimentern.
    Das war für Mustafa und seine Eskorte eine Überraschung.
    Doch der Anblick der Berittenen machte auf das überhebliche Fußvolk keinen Eindruck. Wie eine Herausforderung schwoll ihr Gesang vom langen Leben zum Orkan. „Langes Leben für Sultan Mustafa! Sultan Mustafa Alai!“
    Stumm blieben die Reiter. Die Abneigung gegen die Übermütigen verschloß ihnen den Mund.
    „Alai!“
    Die Schellenbäume stießen auf. Mit einem Riß verstummten Trommeln und Pfeifen und das rauschende Blech.
    Mochte der Padischah es hören.
    Und er sollte es hören!
    „Sultan Mustafa . . .“ Tusch und: „Alai!“
    Dann erst war Stille.
    Der Prinz war vom Pferd gehoben worden.
    Der Kapu Aga Oweis und der Schwertträger küßten ihm die Hand. Ohne Waffen war Mustafa, wie es die Vorschrift verlangte. Jetzt griff er noch an seinen Gürtel und gab dem Kapidschi Baschi den Dolch, den er darin getragen hatte.
    Aber keine Kämmerer faßten nun seine Arme nach dem Brauch, nicht der Kapidschi Baschi und dessen Stellvertreter auch nicht. Offenbar wollte der Vater den Sohn allein sehen und ohne Zeugen.
    „Langes Leben dem Padischah, unserm Herrn!“ setzten die Tschausche im Sprechgesang ein.
    Die Vorhänge zum Zelt wurden weit geöffnet, und der Kapu Aga, der höchste Würdenträger des Hofes, verneigte sich einladend und tief vor dem Sohn seines Herrn.
    Da überschritt Mustafa die Schwelle.
    Allein.
    Hinter ihm schlossen sich die seidenen Falten.
    Wie eine Erscheinung war Mustafa den Blicken entschwunden. Eingesogen hatte ihn das Zelt.
    Er aber durchforschte die Dämmerung, die ihn umgab, und fand sie leer von Menschen.
    Während er noch zauderte, öffnete sich die Wand vor ihm, und ob auch niemand zu sehen war, schritt er weiter. Jetzt empfand er es als ein Bedürfnis, den Vater zu sehen.
    Aber die leeren Räume öffneten sich und schlossen sich, und schleppender wurden seine Schritte, weil sich Soliman vor ihm verbarg. Wie gern hätte er rufen mögen, wenn es die Schicklichkeit nur erlaubt hätte!
    Doch im sechsten Zeitraum erfaßte ihn ein gläubiger Gedanke. Im nächsten sei er am Ziel, beteuerte er sich. Im siebenten, innersten Zelt werde er den Vater sehen!
    Und als sich die Seide des siebenten Vorhangs mit einem zischenden Laut vor ihm auftat - da spannten sich seine Sehnen, und da eilte er, von unwiderstehlicher Sehnsucht vorangerissen und ohne Rücksicht auf Würde und Maß.
    Bis in seinen Hals hinauf fühlte er seines pochenden Herzens harten Schlag.
    Der siebente Raum war auch nicht mehr leer.
    Doch kein Vater erwartete ihn.
    Es waren die Stummen, die seiner harrten.
    Ohne Zungen waren sie, und die Stimmbänder hatte man ihnen durchlöchert.
    Sieben an der Zahl erwarteten sie ihn im siebenten Raum.
    Das war Solimans Antwort.
    Mustafa schnellte herum.
    Doch der Ausgang war schon versperrt.
    Die sieben schlossen einen Kreis, der sich langsam verengte.
    Ohne Waffen war Mustafa. Mit den nackten Händen stand er da gegen die sieben. Eben noch weit über die andern Menschen erhaben, war er jetzt ein Wild, das die Hunde gestellt und umzingelt hatten. Wann würden sie es niederreißen?
    Wie Mustafa sich auch drehte - für seinen Rücken gab es keine Deckung.
    Und jetzt sprang der erste ihn an.
    Doch mit einem Ruck schleuderte der Prinz den Verstümmelten über seinen Kopf hinweg und aus dem tödlichen Kreis hinaus. Mustafa war jung, war stark und
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