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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub
Autoren: Paul J. McAuley
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darauf, daß Lin Yi um Hilfe riefe, denn keiner
von ihnen war gewillt, seine Würde zu verletzen und das Gesicht
zu verlieren; und Lin Yi würde nicht um Hilfe bitten, weil er
gleichfalls das Gesicht verlöre. Er stieß eine Art
schluchzendem Grunzen aus und versuchte, einen Satz nach vorn zu
machen, erreichte jedoch lediglich, daß er tiefer sank. Mit den
Händen platschte er nutzlos in dunkelgrünem Schleim; den
Kopf hatte er zurückgelegt, der Mund stand weit offen.
    Lee warf Lin Yi das Ende einer Sicherheitsleine zu, verfehlte ihn
und zog sie zurück, warf sie erneut. »Du genießt
vielleicht dein Bad«, rief er, »aber wir werden deine Hilfe
benötigen, um diesen Schlamassel sauber zu bekommen, Lin
Yi!«
    Lin Yi warf sich auf die Leine, tauchte dabei mit dem Kopf unter
die Oberfläche der Brühe, noch während er sie mit
beiden Händen zu fassen bekam. Die Leine straffte sich, und Lee
plumpste auf den Hintern. Einige der Zuschauer lachten. Lin Yi kam
wieder hoch, wobei die Augen in seinem schlammbedeckten Gesicht
rollten, und fing an, sich panikartig an der Leine entlangzuhangeln.
Für jeden Meter, den er gewann, wurde Wei Lee einen Meter
näher an den Matsch gezogen. Die Zuschauer johlten und
trampelten mit den Füßen, als Lee mit den Füßen
voran auf den Kanal zu gezogen wurde, während sich Lin Yi am
anderen Ende der Leine Hand über Hand hinauszog – eine so
nette Demonstration von Newtons Drittem Gesetz der Bewegung, wie man
es sich nur wünschen konnte. Als Lin Yi trockenen Boden
erreichte, keuchend wie eine zukunftsgeschockte Amphibie und von Kopf
bis Fuß mit Schleimklumpen beschmiert, lag Lee hüfthoch im
Matsch neben ihm.
    Lin Yi streckte eine Hand aus. »Hilf mir auf,
Techniker«, sagte er. Schließlich war er ein Anteilseigner
und Bürger, und Lee war lediglich ein Wanderarbeiter. Er hatte
Rechte; Lee hatte einen Vertrag. Die Tatsache, daß Lee ihm
gerade das Leben gerettet hatte, bedeutete, daß Lin Yi dadurch
sein Gesicht wiedergewinnen mußte, daß er seine Position
sicherstellte.
    Dieses Wissen kühlte Lees Zorn nicht ab. Er kam mühsam
auf die Füße, wobei es ihn an einem Dutzend verschiedener
Stellen schmerzte. Er zog die Gesichtsmaske ab, schob sich das
schwarze, schmierige Haar zurück und wischte sich das Gesicht
mit dem roten Tuch, das er sich um den Hals geschlungen hatte, so
eines wie jenes, das der King in Charro getragen hatte, tun
seine eingebrannte Wunde zu verbergen.
    »Hilf mir auf!« sagte Lin Yi ungeduldig, und Lee sagte,
er habe etwas Besseres zu tun und ging zu dem großen,
aufrechtstehenden Wasserrohr hinüber, das die hydroponischen
Felder der Kuppel versorgte. Er hatte bereits einen Schlauch an ein
Ventil angeschlossen und hakte diesen über eine der Streben, die
das Wasserrohr als eine Art improvisierter Dusche stützte, um
Staub von den Schutzanzügen zu waschen. Jetzt schüttelte er
ihn los.
    Lin Yi war aufgestanden, und der erste Hochdruckstrahl warf ihn
wieder zu Boden. Er spie und spuckte, fluchte und versuchte, wieder
aufzustehen, und ein zweiter Strahl warf ihn auf den Rücken. Er
fing zu lachen an, während er wie eine umgedrehte
Schildkröte in Matsch und Wasser paddelte und dabei versuchte,
seine Gefährten vollzuspritzen.
    »Wenn du nicht schwimmen kannst«, sagte Lee,
»solltest du dich dem Wasser fernhalten!« Und er hob den
Strahl, so daß er in einer zitternden Fontäne zum
rosafarbenen Himmel aufstieg, dabei in dem kalten Sonnenlicht
glitzerte, vom Wind zerrissen wurde und in fetten Tropfen herabfiel,
die den roten Staub verdunkelten.
    Die Männer tanzten darunter, die Gesichter zum kostbaren
Regen emporgehoben, die Hände hohl, um ihn aufzufangen, und sie
lachten einander an; und Lee lachte gleichfalls und ließ die
Fontäne zu neuen Höhen schießen.
    Eine Stimme sagte laut: »Dies ist eine ehrbare Weise, einen
Morgen zu vergeuden, Wei Lee!«
    Lee wandte sich um, und das Wasser sprühte in einem flachen
Fächer. Die Männer rannten davon und kreischten
spöttisch eine Warnung.
    Guoquiang griff hinauf und drehte das Ventil zu; der Schlauch
zitterte und fiel schlaff in Lees Hände. »Ein wenig
früh für einen Regentanz«, bemerkte er.
    »Wir waschen uns vom Staub frei, nach all der
Arbeit.«
    Neben Guoquiang hielt Xiao Bing das Geschirr eines Zugbacts.
Bleiches Gesicht, wie mit Kreide gepudert; weißes Haar,
silberne Schutzkappen über rosafarbenen Irissen. Mit dem Daumen
der freien Hand schob er eine Phiole in die Hüfttasche seiner
langen Jacke und
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