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Roter Staub

Roter Staub

Titel: Roter Staub
Autoren: Paul J. McAuley
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erwiderte Lee. »Aber ich kann unter
Freunden noch immer von diesen Sachen sprechen, hm?«
    »Mars ist für die Marsianer«, sagte Guoquiang.
»Mir sind die Conchies gleichgültig, aber ich habe
ebenfalls auch kein besonderes Interesse an den Anarchisten. Haltet
sie alle draußen, sage ich.«
    Xiao Bing, der stets ängstlich darum besorgt war, sich
entwickelnde Streitgespräche zu unterbinden, meinte:
»Einige Leute beharren darauf, daß der King ein Alien ist.
Wir hören ihm zu, und er studiert uns.«
    »Wir haben die Welt zu dem gemacht, was sie ist«, sagte
Lee. »Wir sollten das Machen vollenden. Mars für die
Marsianer, Guoquiang. Also sind wir am Ende vielleicht einer
Meinung.«
    »Das ist vorbei«, entgegnete Guoquiang. »Wir leben,
wie wir leben müssen. Wenigstens hilft uns die Erde dabei, uns
gegen die Anarchisten zu verteidigen, die diese Welt zu einem
ökologischen Labor machen würden, wenn sie könnten.
Warum sollten wir ihnen dadurch helfen, daß wir versuchen, alte
Fehler zu korrigieren?«
    »Natürlich um zu beweisen, daß wir es tun
können.«
    »Aber natürlich«, sagte Guoquiang lächelnd,
»brauchen wir nicht zu beweisen, was wir tun können. Nur,
was wir nicht tun können.«
    Xiao Bing lachte. Silbern bedeckte Augen blitzten in seinem
schmalen weißen Gesicht. »Sei guten Muts, Wei Lee«,
sagte er. »Vielleicht wird es jeden Tag regnen, und wir werden
zu Fröschen. Ich bevorzuge die Wüste! Ich werde mich stets
so daran erinnern.« Er schnüffelte dramatisch an dem
Verstärker. »Ich werde mich an uns alle so erinnern!
Staubig, verschwitzt und glücklich! Wir brauchen diese Welt
nicht: der Kaiser regiert eine bessere auf der anderen Seite des
Todes.«
    Lee und Guoquiang tauschten Blicke aus. Es war schlechter
Geschmack, andere an seinen erwählten Tod zu erinnern. Guoquiang
sah brüsk auf seine mechanische Armbanduhr. »Es sind noch
immer drei Stunden Tageslicht übrig. Versuchen wir, heute
wenigstens den Kamm zu schaffen.«
    Als es Lee gelungen war, das Bact von einem Haufen leckererer
Feigenkakteen wegzuziehen, ihm auf die Flanke geschlagen und einen
lahmen Tritt versetzt hatte, waren die beiden Kader fast außer
Sichtweite. Lee folgte und wünschte sich, daß er den Mund
halten könnte, nicht die unbezweifelte Größe des
Kings diskutieren, nicht den Plan des Goldenen Pfads der Zehntausend
Jahre verunglimpfen würde. Seine Gedanken waren wie Wasser, das
in dem porösen Verwitterungsboden gespeichert war; laß die
Temperatur ansteigen, und es flutete unter einem unwiderstehlichen
Druck heraus und verursachte Chaos und Zusammenbruch.
    Aber er konnte nicht lange unglücklich bleiben, nicht, wenn
er wieder draußen in der Welt war. Während er das
widerstrebende Bact führte, sang er in seinem hohen,
brüchigen Tenor Songs aus seinem Lieblingsfilm für alle
Zeit – dem unsterblichen Spin-out –, und horchte auf
die Echos von der rosigen Klippe, die sich voraus erhob, wo Guoquiang
und Xiao Bing mühselig den schmalen Pfad emporstiegen, der sich
an ihr nacktes Antlitz klammerte.
    Als Lee das Bact auf den Gipfel gezerrt hatte, hatten die anderen
bereits damit angefangen, in den Überresten eines uralten
Kraters das Lager aufzuschlagen, ein wettergegerbter Bogen
umgedrehter Gesteinsformationen, durchbrochen von horizontalen
Felsspalten. Es war ein Lager, das traditionell von Jagdexpeditionen
aus Bitterwasser benutzt wurde. Guoquiang kehrte die
größte Spalte aus, die nicht mehr als ein paar Meter hoch
war; gleich davor grub Xiao Bing aus dem Staub der Winterstürme
ein geschwärztes Stück Fels aus, der wenigstens ein
Jahrhundert lang als Herd für das Lagerfeuer gedient hatte.
    Als Lee den Pflock für das Halteseil des Bacts
einhämmerte, tauchte Guoquiang aus einem roten Schleier auf,
wobei er sich das Haar rieb und spuckte und prustete. »Ich habe
mir gedacht, daß ich heute abend koche«, sagte er zu Lee,
und Lee lächelte und half ihm dabei, die Packen nach dem
eisernen Topf und den Vorräten zu durchwühlen.
    Guoquiang kochte, was er stets kochte, eine Art Pilzsuppe,
verdickt mit Reismehl und geschärft mit Frühlingszwiebeln
und Chilischoten, sowie kleine Pfannkuchen, die man dazu essen
sollte. Die drei aßen in geselligem Schweigen, während
Mars sein Antlitz von der Sonne abwandte. Westlich verlief das ebene
Land hin zum Horizont. Einige wenige verdrehte Josuabäume
bildeten arthritische Silhouetten gegen den roten Staub, der in dem
tiefstehenden Licht wie erhitztes Eisen glühte. Als der
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