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Roter Regen

Titel: Roter Regen
Autoren: Michael Moritz
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und
schluchzte. Aber sie brach diesmal nicht zusammen. Sie hielt sich tapfer,
dachte an ihre neue Position, die sie bald zu erfüllen hatte. Sie würde Andreas
Zimmerlin nicht heiraten, die Zimmerlins hatten sich dagegen entschieden. Mit
dem Selbstmord von Herbert Brenn wollten sie nicht in Verbindung gebracht
werden. Silke hatte aber schon eine Alternative: den Fotografen Feruggio. Er
würde sie stets ins rechte Licht setzen, und sie konnte ihr Leben in Hochglanz
gestalten. Da sie mit Feruggio, nach Trost suchend, bereits geschlafen hatte,
wäre es auch kein Problem, ihm das Kind von Hartmann unterzujubeln. Kleine
Geheimnisse gehörten zum Leben der High Society dazu, sie waren das Salz in der
Suppe des Klatsches. Und wenn die Leute tuschelten, so wäre es Silke nur recht.
Sie genoss es, jetzt am Grab zu stehen und Erde auf Vaters Sarg zu werfen. Sie
hoffte, dass jemand fotografierte. Feruggio selbst tat ihr den Gefallen, und
dafür liebte sie ihn wirklich.
    Margit hatte Mühe, sich zu halten. Sie stützte sich auf eine Krücke,
ihr rechter Arm war in eine Schlinge gelegt. Mit der linken Hand warf auch sie
einen Haufen Erde in das Grab. Sie würde das Weingut übernehmen, kämpfen und
mit den Banken verhandeln. Da Zimmerlin expandierte, hatte er ihr das Angebot
unterbreitet, bei ihm zu arbeiten. Sie hatte es ausgeschlagen. Sie war noch
immer die rote Zora, auch wenn sie wie John Silver daherkam. Lieber verkleinern
und von vorne anfangen als in Knechtschaft verdorren. Sie sah sich um und
hoffte, Killian unter der kleinen Anzahl Trauergäste zu finden. Aber er war
nicht da. Nur Belledin, und auf den konnte sie verzichten.
    * * *
    Bärbel blickte nervös auf die Bahnsteiguhr des Freiburger
Hauptbahnhofs. Zum ersten Mal hoffte sie, dass der Zug Verspätung hatte. Aber
die Frauenstimme, die aus dem Lautsprecher tönte, kannte kein Erbarmen und
schickte den aus Basel einfahrenden ICE pünktlich an den Bahnsteig. Bärbel schlug sich die beiden Tickets nervös in die
Handfläche. Eine der Fahrkarten war für Killian. Aber der war nicht da.
    Bärbel schnaufte tief durch. Die Verabredung stand seit Tagen fest.
Sie wollten gemeinsam nach Berlin fahren, um Swintha zu überraschen. Natürlich
konnten sie auch den nächsten Zug nehmen, aber die Reservierungen galten nur
für diesen.
    Die Bremsen des ICE quietschten, es roch nach geschliffenem Eisen. Bärbel sah sich noch mal um. In
Filmen kamen die Helden meist noch in der letzten Sekunde. Aber wohl nicht in
einem Film, in dem Bärbel und Killian die Hauptrollen spielen sollten. Sie musste
sich entscheiden. Die Stimme aus dem Lautsprecher forderte zum Einstieg. Bärbel
verfluchte Killian und folgte ihr.
    Kaum hatte sich der Zug in Bewegung gesetzt, Bärbel war noch nicht
einmal auf ihrem reservierten Platz, zog sie ihr Handy heraus und rief den ewig
Treulosen an.
    * * *
    Killian war Udo dankbar dafür, dass er das Wasser noch nicht aus dem
Becken gelassen hatte. Der Regen wurde stärker, und Bindfäden flochten sich in
die Wasseroberfläche. Killian schoss mit seiner Rolleiflex, was er konnte. Alles
war Wasser. Innen wie außen, und er war der Urfisch, lange bevor ihm Wirbel
gewachsen und er zum Mensch geworden war.
    Er legte die Kamera in die Tasche zurück, stopfte seine Kutte mit
dem brummenden Handy unter die Bank und kletterte in kompletter Kleidung auf
das Dreimeterbrett.
    Udo, der das Kinderbecken bereits winterfest machte, entdeckte den
federnden Killian und rief: »Auerbach anderthalb gestreckt! Kannsch es noch?«
    Killian konzentrierte sich und sprang ab. Er bemühte sich um
Streckung, drehte sich nach hinten um seine eigene Achse und versuchte mit dem
Kopf ins Wasser einzutauchen. Aber er hatte sich überdreht und klatschte auf
den Rücken.
    Udo lachte laut. »Des hät für ä zweifache glängt.«
    Killian zog sich aus dem Becken. Sein Blick fiel auf die große
Schwimmbaduhr. Sie zeigte bereits nach zehn. Jetzt fiel es ihm ein. Bärbel! Er
hatte ihr nicht Bescheid gesagt, dass Swintha in Norwegen war. Wie auch? Woher
hätte er es wissen sollen? Die Info war von Moshe gekommen, und den gab es
nicht. Bärbel würde bereits im Zug nach Berlin sitzen und statt Swintha zu
überraschen selbst eine Überraschung erleben. Killian musste bei dem Gedanken
laut lachen, lief in seinen triefenden Kleidern erneut zum Dreimeterturm und
kletterte hinauf. Er blickte zu Udo hinüber, der noch immer in seinem Häuschen
stand.
    »Komm, mach mit. Schauspringen, wie früher!«, rief
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