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Roter Regen

Titel: Roter Regen
Autoren: Michael Moritz
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die Hörer auf das
Livekonzert einzustimmen.
    Endlich fand Schlaicher eine Lücke. Die war zwar fast ein wenig zu
eng für seinen Wagen, aber bevor er sie dem Subaru hinter ihm überließ, quälte
er sich lieber mit viel Kurbelei hinein. Er stand etwas zu weit vom Bordstein
entfernt, doch das war Martina egal. Bevor er noch einmal versuchen konnte, ein
paar Zentimeter nach vorne zu fahren, um dann gleich wieder den Rückwärtsgang
einzulegen, stieg sie aus. Schlaicher schaltete den Motor ab, um ihr zu folgen.
Das Letzte, was er vorher noch im Radio hörte, war: »Und da kommen Sie!
Drei-X-Beziehung!«
    Martina ging so schnell, sie rannte fast. Schlaicher hatte Mühe,
hinter ihr herzukommen.
    »Mach schon! Wir sind zu spät«, rief sie ihm zu, ohne sich
umzublicken, was Schlaicher in Joggingschritt fallen ließ, bis er sie eingeholt
hatte. Die Warnlampe am Bahnübergang blinkte, als sie sich ihr näherten, aber
Martina flitzte durch, noch bevor sie sich absenkte. Schlaicher, der,
mittlerweile leicht schnaufend, bezweifelte, dass er die Geschwindigkeit seiner
Freundin noch lange durchhalten konnte, hetzte hinterher. Die Schranke berührte
ihn noch leicht am Rücken.
    Je näher sie dem Marktplatz kamen, umso voller wurde es. Und umso
lauter. Drei-X-Beziehung hatte angefangen zu spielen, die Menge tobte. Einige
Security Leute in ihren mit gelben Lettern bedruckten schwarzen
Arbeits-T-Shirts fertigten mit unbeteiligtem Gesichtsausdruck die Nachzügler
ab. Die Typen sahen so aus, als seien ihre muskulösen Körper alle in der
gleichen Fitnessbude gezüchtet worden.
    Schlaicher war ein bisschen erleichtert, dass sie wenigstens nicht
die Letzten waren. Martinas Stimmung hatte sich auch tatsächlich massiv
gebessert, nun, da sie »ihrem« Konzert so nahe war. Während sie fast geduldig
darauf wartete, ihr Ticket vorzeigen zu dürfen, um endlich hinter die
hermetisch um den ganzen Marktplatz gezogene Absperrung zu kommen, nahm sie
Schlaichers Hand. Sie strahlte ihn an und wippte mit dem Kopf.
    Schlaicher lächelte zurück und genoss die zarte Wärme ihrer Hand in
seiner. Nachdem sich die ganze Lage jetzt ein bisschen entspannte, gelang es
ihm sogar, die verkrampft hochgezogenen Schultern sinken zu lassen.
    Sie traten auf den Marktplatz. Direkt vor ihnen erhob sich die
Flanke der großen, mit blauem Stoff bezogenen Bühne. Davor türmten sich riesige
Lautsprecher, die den rockig-poppigen Sound der Band herausbrüllten.
    »Das lässt aber auch keiner aus heute«, stöhnte Schlaicher
angesichts der Masse an Menschen, durch die er Martina zu folgen versuchte. Er
drückte sich an einer Clique Jugendlicher vorbei, alle im passenden Fan-Outfit.
Vor ihm tat sich eine Wand aus Prosecco haltenden Mittvierzigerinnen auf, die fast
so laut wie die Musik waren. Daneben hatte ein Seniorenklub unverrückbar
Position bezogen. Drei-X-Beziehung bot einfach allen etwas. Dass sie dazu noch
aus Lörrach kamen, brachte die Euphorie in Südbaden nur noch mehr zum Kochen.
    Noch bevor die letzten Töne des Liedes ausklangen, reckten sich
Tausende von Händen nach oben und klatschten frenetischen Beifall. Schlaicher
bemerkte, dass die meisten Fenster der angrenzenden Häuser mit Blick auf die
Bühne voll besetzt waren. Offensichtlich hatten die Anwohner Freunde eingeladen
und veranstalteten Konzertpartys oder machten vielleicht sogar noch den einen
oder anderen Euro, weil ganz besonderen Fans ein ganz besonderer Blick auf ihre
Stars sicher etwas mehr wert war.
    Schlaicher richtete seinen Blick nach vorn. Die Sängerin, der
Gitarrist und der Schlagzeuger wirkten auf der großen Bühne fast ein wenig
verloren. Links von ihnen tänzelten drei sehr bewegliche Frauen, deren Haut den
gleichen kaffeebraunen Farbton hatte wie die des Schlagzeugers. Ihre Mikrofone wiesen
sie als Backgroundsängerinnen aus. Rechts wartete ein glänzender Flügel auf
seinen großen Auftritt. Obwohl die tief stehende Sonne einen Teil des Platzes
noch beschien, liefen die gewaltigen Strahler an den silberfarbenen Gerüsten
schon auf vollen Touren und zauberten flackernde, bunte Muster auf die Bühne.
Eine einzige Stelle ganz vorn in der Mitte der Bühne schien der Mittelpunkt
allen Lichts zu sein. Dort stand eine Frau in einer Jeans und einem weißen
Tanktop, das ihre gebräunte Haut zur Geltung brachte. Sie hielt ein Mikro in
der Hand und ließ den Blick über die Menge schweifen. Auf Schlaicher wirkte sie
wie ein Engel ohne Flügel. Mit blondem Haar und Augen, die, obwohl weit
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