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Roter Regen

Titel: Roter Regen
Autoren: Michael Moritz
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weg,
doch alle Blicke magisch anzogen. Sie tanzte leicht und anmutig, als ein
Gitarrensolo einsetzte.
    »Hey, komm weiter«, schrie Martina und zog an seinem Arm. Schlaicher
wandte den Blick von der faszinierenden Lichtgestalt ab und folgte Martinas
Stimme. Sie selbst war schon wieder fast außer Sicht. Er zwängte sich an den
Senioren vorbei und weiter durch einen Dschungel von Leibern. Es ging fast von
allein. Irgendjemand hatte als Erstes den Weg geteilt, und jeder Nachfolgende
konnte gar nicht anders, als dem Druck von hinten in die sich fast schon wieder
schließende Lücke nachzugeben. Allerdings handelte es sich dabei um eine
unfassbar langsame Art der Fortbewegung. Für ein paar Schritte weg vom
dichtesten Pulk brauchten sie fast den ganzen Song. Nur damit Martina ihm
anschließend ins Ohr rufen konnte: »Rainer, ich habe Durst.«
    Schlaicher hätte am liebsten »Dann hol dir doch was zu trinken«
geantwortet. Und »Bring mir auch was mit, wenn du grad da bist«. Aber Martinas
etwas verlegenes Lächeln, das sie ganz genau dosiert einzusetzen wusste, sorgte
dafür, dass er gar nichts erwiderte, sondern nur nickte. Es war sowieso zu
laut, um viel zu reden.
    Die nächste Möglichkeit, an etwas Trinkbares zu kommen, war das
Lokal »Der Wilde Mann«, das vor seinem Eingang eine improvisierte Theke
aufgebaut hatte. Allerdings war der Weg dorthin von einem feierwütigen Mob von
Leuten versperrt, den zu umgehen genauso unmöglich schien, wie sich mitten
hindurch zu kämpfen.
    »Ich warte auf dich«, rief Martina dicht neben Schlaichers Ohr.
    »Kommst du nicht mit?«
    »Was?«
    »Ob du nicht mitkommst!«
    »Ich warte auf dich!« Im gleichen Moment machte sie jemanden in der
Menge aus. »Petra!«, schrie sie begeistert. Und informierte Schlaicher: »Ich
komme gleich wieder!«
    Das Lied endete. Und Schlaichers Frage, was sie trinken wolle, ging
im euphorischen Gebrüll unter. Martina zwängte sich furchtlos in die Richtung,
in der sie ihre Freundin wähnte. Auch Schlaicher machte sich auf den Weg.
    »’tschuldigung!«, rief er immer wieder, während er sich zwischen den
vielen Menschen hindurchdrängte, die Theke, an der Bier und Cocktails ausgeschenkt
wurden, fest im Blick. Ein Bär von einem Mann wurde plötzlich gegen ihn
gedrückt, und er wäre fast gefallen, wenn nicht der Rücken einer Frau ihm Halt
gegeben hätte.
    »’tschuldigung!«, rief er ihr zu. Sie funkelte ihn böse an. Der
große Mann hatte sich natürlich nicht entschuldigt. Schlaicher graute schon vor
dem Rückweg, auf dem er zwei Plastikkelche mit bunten Drinks, etwas
hineingeschnittenem Obst und je einem Fähnchen würde befördern müssen.
    »’tschuldigung!«, rief er erneut. Die Frau vor ihm schien ihn gar
nicht zu bemerken. Sie schaute auch nicht zur Bühne, sondern über sie hinweg.
Schlaicher folgte ihrem Blick und staunte nicht schlecht. Nicht nur, dass es
später, wenn es dunkel wäre, sicherlich eine wilde Lichtshow geben würde, auch
für die noch bestehende Helligkeit hatten sich die Veranstalter etwas
ausgedacht. Über der Bühne flog ein Helikopter, viel zu klein, um einen
Passagier oder auch nur einen Piloten zu beherbergen, aber dennoch ein recht
ansehnliches Modell. Dass sich die Rotorblätter drehten, sah man nur daran,
dass die Luft direkt über dem Hubschrauber zu glänzen schien. Unter dem fast
ballförmigen Körper der ferngesteuerten Flugmaschine waren zwei Kufen, und
daran hing an Schnüren, die sich gegen den Himmel kaum ausmachen ließen, ein
Paket, darunter baumelte eine längliche Rolle. Der Hubschrauber kam schnell und
ziemlich niedrig näher und blieb etwa über der Mitte des Platzes in der Luft
stehen. Schlaicher bemerkte, dass nun auch andere Leute auf den Helikopter
zeigten oder einfach zu ihm hochblickten.
    »Geil, ein cooles Teil«, rief ein Junge. Überall wurden Handys in
den Himmel gehalten, um die einmalige Szene auf Foto oder als Video zu
verewigen. Jubel kam auf, als der Hubschrauber sich wieder bewegte. Er flog auf
Schlaicher zu, bis ganz an den nördlichen Rand des Platzes, schlug dann einen
Bogen und zog einen großen Kreis über dem gesamten Publikum.
    »Die machen echt eine coole Show!«, hörte Schlaicher aus den vielen
Gesprächsfetzen um sich herum heraus. Ja, das stimmte wirklich. Der
Hubschrauber kam fast zeitgleich mit den letzten Tönen des Liedes wieder genau
über der Mitte des Platzes zum Stehen und drehte sich langsam um sich selbst.
Applaus, begeisterte Pfiffe, fröhlicher Jubel und wildes
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