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Roter Herbst - Kriminalroman

Roter Herbst - Kriminalroman

Titel: Roter Herbst - Kriminalroman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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unflätiger Beleidigungen, die er ihr an den Kopf geworfen hatte, versiegt. Er hatte einfach keine Kraft mehr gehabt, um sich weiter aufzulehnen. Sie hatte ihn ins Bett gebracht und neben ihm gewacht, bis er eingeschlafen war.
    Nach und nach war es ihm besser gegangen, obwohl ihm der Alkohol in den ersten Tagen und Wochen so sehr gefehlt hatte, dass er geglaubt hatte, verrückt zu werden. Immer wieder hatte er versucht, an Schnaps, Bier oder Wein, egal was, zu gelangen, doch war Marianne in dieser Phase nicht von seiner Seite gewichen, sodass er sie mit hilfloser, dumpfer Verzweiflung gehasst hatte, wie er noch nie jemanden gehasst hatte. Er hatte sie verwünscht und verflucht, doch sie war hart geblieben.
    Marianne hatte auch darauf bestanden, dass er seine Tabletten nunmehr regelmäßig einnahm. Vor allem aber hatte sie ihm keine Zeit gelassen, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Immer wieder unternahm sie etwas mit ihm, bestand darauf, dass er an die frische Luft kam.
    Nur widerwillig war er ihr anfangs gefolgt, wenn sie ihn zu Spaziergängen entlang der Donau mitnahm. Später hatte er sich wiederholt gefragt, warum er sie hatte gewähren lassen, hatte allerdings keine Antwort gefunden. Es waren endlose Kilometer gewesen, die er neben ihr dahingetrottet war. Sie hatten dabei kaum miteinander gesprochen, aber am Abend war er jedes Mal so müde gewesen, dass er wenigstens einige Stunden hatte schlafen können. Miteinander geschlafen hatten sie in dieser Phase, und auch später, kein einziges Mal.
    Am Heiligen Abend waren sie gemeinsam zur Christmette in den Dom gegangen. Sie hatten unter all den Menschen gesessen, und es war ihm nicht unangenehm gewesen, deren Gerüche nach Kälte und Glühwein einzuatmen, ihren dampfenden Atemwolken zu folgen und ihrem Singen zu lauschen. Als sie wieder zu Hause waren, war er zum ersten Mal zum Reden bereit gewesen. Ein Wendepunkt in seinem Leben. Warum der gerade an diesem Tag gekommen war, wusste er später nicht zu sagen. Er hatte die Abgründigkeit des Lebens erfahren und seine persönliche Schwäche begriffen, und zu seiner eigenen Verwunderung war er an diesem Abend in der Lage gewesen, sich einem anderen Menschen mitzuteilen.
    Lange hatten sie damals nebeneinandergesessen und er hatte ihr von den Wunden seiner Seele erzählt und sie hatte gelauscht. Danach war es ihm besser gegangen, und ganz allmählich hatte er in den folgenden Tagen und Wochen wieder das Verlangen verspürt, weiterzuleben. Trotzdem war eine Leere in ihm geblieben.
    Einige Wochen später hatte sich Marianne von ihm verabschiedet und war zurück nach Rom gefahren. Eine Zeit lang hatten sie noch regelmäßig miteinander telefoniert, bis sie ihm geglaubt hatte, dass er den mächtigen Feind Alkohol erst einmal besiegt hatte.
    Irgendwann im Frühjahr, an einem freundlichen Apriltag, hatte er dann beschlossen, Regensburg und die Vergangenheit zumindest für einige Zeit hinter sich zu lassen.

    Der schwarze Punkt, den er in weiter Ferne wahrgenommen hatte, war näher gekommen und nahm allmählich die Form eines Mannes an. Ein Mann mit weiten Jeans und Pullover und einer Baseballmütze, die ihm viel zu groß war. Wie es dem Kommissar vorkam, befand er sich in höchster Erregung. Er gestikulierte wild und schrie ihm, als er ihn entdeckt hatte, Worte zu, die allerdings im Gebrodel des Moores ertranken. Als er sich bis auf wenige Schritte genähert hatte, erkannte Bichlmaier, dass der Mann, dessen Alter schwer zu schätzen war, unter dem Downsyndrom litt und offensichtlich kaum in der Lage war, sich zu artikulieren. Der Kommissar löste sich aus seiner kauernden Stellung und trat auf ihn zu. Er sprach ihn an, doch es dauerte eine Weile, bis dieser sich einigermaßen beruhigt hatte. Immer noch mit wilder Gestik und mit schmerzhaft verzogenen Gesichtszügen versuchte er, dem Kommissar etwas mitzuteilen. Der verstand nur wenig, nur so viel, dass mit dem Baum in der Ferne etwas nicht in Ordnung war. Auch von einem Toten sprach er.
    Vergeblich versuchte er daraufhin, mehr von dem zu erfahren, was der Mann gesehen und was ihn so erschreckt hatte. Der deutete jedoch immerfort nur auf den Baum am Horizont und stieß dabei Unverständliches aus.
    Als Bichlmaier einsah, dass er ihm keine weiteren Informationen würde entlocken können, nahm er sein Handy und informierte die örtliche Polizeistation. Danach wies er ihn an, zu warten, bis Polizisten eintrafen. Der Mann starrte ihn bloß verständnislos an und Bichlmaier
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