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Roter Herbst - Kriminalroman

Roter Herbst - Kriminalroman

Titel: Roter Herbst - Kriminalroman
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Bettdecke wieder über die Ohren zu ziehen. Die Stunden dazwischen hatte er in einer Art Dämmerzustand verbracht.
    Oft hatte er sich in dieser Zeit tagelang kaum gewaschen, auch nicht rasiert. In seiner Wohnung hatte es angefangen, zu stinken. Ein fauliger, süßlicher Geruch hatte sich über die Räume gelegt, nach billigem Fusel und verkommenen Essensresten, aber er hatte nicht einmal die Energie gehabt, die Fenster zu öffnen oder den Müll hinauszutragen.
    Eine ältere Frau mit einem osteuropäischen Namen, die im Stockwerk über ihm wohnte, hatte ihn mit den nötigsten Lebensmitteln versorgt, nachdem er ihr Geld dafür geboten hatte. So brauchte er selten die Wohnung zu verlassen. Nur seine Schnapsvorräte besorgte er sich selbst.
    Eines späten Abends, als er im Schutz der Dunkelheit zur nahe gelegenen Tankstelle geschlurft war, um Schnaps und Wein zu kaufen, war er beim Überqueren einer Straße von einem Auto erfasst und zu Boden geschleudert worden. Der Aufprall war zum Glück nicht besonders heftig gewesen und er hatte sich sofort wieder erheben können, doch war die Fahrerin des Wagens zu Tode erschrocken und hatte darauf bestanden, ihn ins Krankenhaus zu bringen. Als er sich geweigert hatte, hatte sie ihn die wenigen Meter nach Hause gefahren und ihm schließlich aus dem Auto geholfen. Vor dem Haus war er plötzlich aggressiv geworden und zudringlich, hatte gewollt, dass die Frau ihn nach oben begleitete. Aus irgendeinem Grund, den er später nicht mehr nachvollziehen konnte, hatte er gedacht, dass sie sich in diesem Augenblick genauso nach Sex gesehnt hatte wie er. Als sie sein Ansinnen völlig verstört und angewidert abgelehnt hatte, hatte er sie auf das Übelste beschimpft, eine Schlampe genannt, Dinge geäußert, von denen er nie gedacht hätte, dass er sie je zu einer Frau sagen würde. Daraufhin hatte sie die Flucht ergriffen, war in ihren Wagen gestiegen und davongebraust. Anschließend war er mit Tränen der Verzweiflung in den Augen nach oben getaumelt und hatte sich in einen Putzeimer, der im Flur gestanden hatte, übergeben. In dieser Phase seines Absturzes hatte er begonnen, sich vor sich selbst zu ekeln.
    Sein Hausarzt, bei dem er sich regelmäßig hatte vorstellen müssen, um seine Arbeitsunfähigkeit bestätigen zu lassen, hatte ihm Medikamente verschrieben, die er, ohne sie auszupacken, weggeworfen oder gar nicht erst in der Apotheke geholt hatte. Als dieser bemerkte, in welchem Zustand sein Patient sich befand, hatte er ihm gedroht, ihn ins Bezirkskrankenhaus einweisen zu lassen. »Sie sind eine Gefahr für sich selbst«, hatte er zu ihm gesagt. »Man muss Sie vor sich selbst schützen.« Daraufhin hatte Bichlmaier den Arzt gewechselt.
    Als die Tage kürzer wurden und die Sonne kaum noch durch den fahlen Dunst des Herbstnebels drang, wurden seine Depressionen schlimmer. In den wenigen lichten Momenten, die er hatte, bekam er wahnsinnige Angst, dass er sich zu Tode saufen würde. In diesen kurzen Phasen hatte er sich immer wieder vorgenommen, sich vom Alkohol fernzuhalten, doch er schaffte es nicht, mit dem Trinken aufzuhören. Das war so über mehrere Wochen gegangen.
    Eines Tages war Marianne gekommen, seine Exfrau, die er fast schon vergessen hatte. Sie hatte Rom verlassen, wohin sie vor einigen Jahren gezogen war, und hatte sich um ihn gekümmert. Sie war einfach da gewesen, hatte sich seiner angenommen, so, wie sie dies schon einmal getan hatte. Wie es schien, hatten seine Kollegen sie über seinen Zustand in Kenntnis gesetzt. Er hatte sie damals, aber auch später, nie danach gefragt, warum sie zu ihm zurückgekommen war, und auch sie hatte nie etwas darüber verlauten lassen.
    Anfangs war sie ihm lästig gewesen. Bereits nach wenigen Stunden hatte er sich gewünscht, sie wäre nie gekommen. Ihr ständiges Drängen, er solle sich nicht gehen lassen, ihre Versuche, ihn aufzumuntern, hatten ihm die Möglichkeit genommen, ungestört in sich hineinzuhorchen. Dabei war das das Einzige gewesen, was er unbedingt und mit aller Macht wollte: allein mit sich und seinen Gedanken sein.
    Am schlimmsten war es für ihn jedoch gewesen, dass sie, gleich als sie bei ihm eingezogen war, sämtliche Schnapsflaschen, die er in der Wohnung gebunkert hatte, eingesammelt und ihren Inhalt ins Klo gegossen hatte. Da hatte er getobt und geweint wie ein kleines Kind. Marianne hatte genau das Richtige getan. Sie hatte ihn toben, brüllen und flehen lassen, ohne ihm nachzugeben. Am Abend war der Strom
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