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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel
Autoren: Tess Gerritsen
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ihren immer lauter werdenden Schreien.
    »Wir müssen sie zum Schweigen bringen!« sagte die Frau. »Sonst hört es am Ende noch der Patient!«
    Der Mann stülpte eine Atemmaske über Mollys Mund und Nase und zwang sie, ein Gas einzuatmen. Sie riß das Gesicht zur Seite. Er packte ihr Kinn und hielt es fest, damit sie das gefährliche Gas einsog. Doch Molly schnappte den kleinen Finger des Mannes mit den Zähnen und biß in Panik zu wie ein wildes Tier. Der Mann schrie auf.
    Ihre Schläfe traf ein so heftiger Schlag, daß sie nur noch Sterne sah.
    »Verfluchte Schlampe!« japste der Mann.
    »Mein Gott, Ihr Finger …«
    »Die Spritze. Her mit der Spritze!«
    »Welche?«
    »Kalium.
Aber gleich.
«
    Molly öffnete langsam die Augen. Sie sah die Frau über sich gebeugt stehen, eine Spritze in der Hand. Sie beobachtete, wie die Nadel in den Schlauch gestochen wurde.
    Langsam spürte sie, wie es in ihrem Arm zu brennen begann.
    Gequält schrie sie auf und versuchte sich loszureißen, aber die Gurte hielten sie gefesselt.
    »Alles«, schnauzte der Mann. »Geben Sie ihr die ganze verdammte Ladung.«
    Die Frau nickte. Sie drückte den Kolben ganz nach unten.
    Das Ergebnis war überwältigend. Eingebettet in Strudel von embryonalem Gehirngewebe hatten sich mindestens dreiunddreißig separate Hypophysen gebildet, mehr, als bisher jemals ein embryonales Implantat hervorgebracht hatte. Die Zellen erschienen unter dem Mikroskop gesund und intakt, und die Blutuntersuchungen des Mädchens hatten ebenfalls nur normale Werte ergeben. Sie konnten es sich auch nicht mehr leisten, neue Infektionen zu übertragen. Den Fehler hatten sie bei der ersten Gruppe der Empfänger gemacht, als sie die intakten Fötusse aus den Uterussen der dazu angeworbenen Frauen aus einem Dorf in Mexiko entnommen hatten. Einem Dorf, in dem Rinder bereits in Massen verendeten.
    Das jetzige Gewebe hatten sie aus einem genetisch manipulierten Embryo im eigenen Labor entwickelt. Er wußte, daß es sauber und keimfrei war.
    Dr. Gideon Yarborough präparierte drei Hypophysen heraus und versenkte sie in einem Fläschchen Trypsin, das auf siebenunddreißig Grad Celsius aufgewärmt war. Der Rest des Fötus – wenn man den Klumpen Fleisch denn so bezeichnen mochte – wurde abgewaschen und in eine Salzlösung gelegt. Da schwamm er nun in der Flüssigkeit mit seinem blauen Auge, das aus der Oberfläche ragte und ihn ansah. Hinter dem Auge befand sich kein funktionierendes Gehirn, keine Seele, und doch gab es Yarborough einen Ruck. Er deckte das Glas zu und stellte es zur Seite. Später würde er dann die restlichen Hypophysen herauspräparieren. Eine reiche Ernte würde es werden, genug für die Versorgung von zehn Patienten.
    Zwanzig Minuten waren vergangen.
    Er wusch das Fläschchen mit den drei Hypophysen mit einer Salzlösung ab. Inzwischen hatte das Trypsin das Gewebe aufgelöst, und in der Flasche schwamm eine trübe Brühe. Sie enthielt nun keine fest in sich zusammen-hängenden Hypophysen mehr, sondern einzelne Zellen in Suspension. Die Grundstruktur einer neuen Master-Drüse. Vorsichtig zog er die Suspension in eine Spritze und brachte sie in den Raum nebenan, wo seine Assistentin auf ihn wartete.
    Der Patient lag, leicht durch Valium sediert, auf dem Behandlungstisch. Ein achtundsiebzig Jahre alter Mann mit zufriedenstellendem Gesundheitszustand, der langsam sein Alter gespürt hatte. Der seine Jugend zurückhaben und dafür auch bezahlen wollte; eine gewisse Unbequem-lichkeit mit der Chance auf eine Verjüngungskur auf sich zu nehmen bereit war.
    Jetzt lag der Mann, den Kopf fest in einem stereo-taktischen Operationsgerät fixiert, auf dem OP-Tisch. Über eine Röntgenröhre wurde ein Bild auf einen 32-cm-Bildschirm übertragen. Es zeigte den Türkensattel mit dieser kleinen knöchernen Vertiefung, in der die gealterte Hypophyse des Patienten ruhte.
    Yarborough sprühte ein Lokalanästhetikum in das rechte Nasenloch des Patienten und tupfte mit einer Kokain-lösung nach.
    Dann schob er eine lange Nadel durch das Nasenloch nach oben und injizierte noch mehr von dem Betäubungs-mittel in die Schleimhaut.
    Der Patient murrte unwillig.
    »Ich betäube nur die Umgebung, Mr. Luft. Es geht Ihnen gut.«
    Er gab die Betäubungsspritze an seine Assistentin zurück.
    Und griff nach dem Bohrer.
    Es war ein simpler Spitzbohrer mit fast nadelfeiner Spitze. Er setzte ihn oberhalb des Nasenlochs an. Das Bild auf dem Schirm half ihm, den richtigen Weg durch den Knochen zu
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