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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel
Autoren: Tess Gerritsen
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Gummiartigem in Berührung gekommen. Dafür fiel immer wieder Licht von draußen herein, von Straßenlaternen und vorbeifahrenden Autos. Sie wandte den Kopf und wollte wissen, wogegen sie da gestoßen hatte. Sie blickte in das Gesicht einer der beiden Leichen.
    Toby schnaufte vor Schreck so laut, daß ihre Entführer aufmerksam wurden. »Sie ist wach«, sagte der Mann.
    »Fahr einfach weiter«, sagte Jane. »Ich verklebe ihr den Mund.«
    Sie löste den Sicherheitsgurt und kroch nach hinten in den Van, kniete sich neben Toby und fummelte im Halbdunkel an einer Leukoplastrolle. »Habe nicht geglaubt, daß wir uns noch einmal sehen würden.«
    Toby kämpfte mit ihren Fesseln, aber vergeblich. »Meine Mutter – Sie haben meiner Mutter etwas angetan …«
    »Das ist nur Ihre eigene Schuld«, sagte Jane und schnitt ein Stück Leukoplast ab. »Sie waren ja wie besessen, Dr. Harper. Haben sich allzu viele Sorgen um ein paar alte Männer gemacht. Und was in Ihrem Haus vorging, haben Sie nicht einmal bemerkt.« Sie drückte den Streifen auf Tobys Mund und sagte spöttisch: »Und da meinen Sie, Sie seien eine gute Tochter.«
    Drecksweib,
dachte Toby.
Du mörderisches Drecksweib!
    Jane gluckste, während sie einen zweiten Streifen Leukoplast abschnitt. »Ich wollte Ihrer Mutter in Wirklichkeit gar nichts tun. Ich war nur bei Ihnen, um ein Auge auf Sie zu haben. Herauszufinden, wie weit Sie gehen würden. Aber dann rief Robbie Brace an diesem Abend bei Ihnen zu Hause an, und alles geriet uns völlig außer Kontrolle …« Sie klebte den nächsten Streifen über Tobys Mund. »Da war es schon zu spät, Sie einfach nur einen Unfall erleiden zu lassen. Zu spät, um Sie bloß zum Schweigen zu bringen. Den Toten glauben die Leute so gern.« Mit einem dritten Streifen verklebte sie Tobys Gesicht von einem Ohr zum anderen. »Aber glauben Sie einer Frau, die ihrer eigenen Mutter etwas angetan hat? Wohl kaum.« Sie musterte Toby für einen Moment, als begutachte sie ihr Werk. Im Halbdunkel des Wagens, nur ab und an erhellt von vorbeifahrenden Scheinwerfern, schienen Janes Augen wie von innen heraus zu glühen. Wie oft war Ellen aufgewacht und von denselben Augen angestarrt worden?
Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte das Böse in meinem Haus spüren müssen.
Der Mann riß den Wagen um eine Kurve. Jane streckte den Arm aus, um sich abzustützen.
    Nein, sie heißt nicht Jane,
dachte Toby und verstand plötzlich.
Das ist Monica Trammell,
Wallenbergs Mitarbeiterin am Rosslyn Institute.
    Es ging über eine kurvenreiche Straße. Der Van schwankte hin und her. Die Fahrbahn war so uneben, daß es sich um eine Schotterstraße handeln mußte. Toby spürte, wie die Leiche des alten Mannes gegen ihren Körper stieß. Der Wagen hielt an, und die Seitentür wurde aufgeschoben.
    Toby sah vor dem mondlosen Himmel die Silhouette eines Mannes. »Gideon ist noch nicht da«, sagte der Mann. Es war Carl Wallenbergs Stimme.
    Die Frau kletterte aus dem Wagen. »Für das hier hat er dazusein. Wir müssen alle hiersein.«
    »Der Patient mußte noch stabilisiert werden. Gideon beobachtet ihn.«
    »Wir können das hier nicht ohne ihn machen. Diesmal müssen wir die Verantwortung zusammen übernehmen, Carl. Jeder zu gleichen Teilen. Richard und ich haben schon zuviel gemacht.«
    »Ich will das nicht; was wir hier vorhaben.«
    »Du mußt. Ist das Loch ausgehoben?«
    Die Antwort war ein Seufzer. »Ja.«
    »Dann bringen wir es hinter uns.« Die Frau hatte sich zu dem Fahrer umgedreht, der inzwischen auch ausgestiegen war.
    »Holt sie raus, Richard.«
    Der Fahrer packte Tobys zusammengebundene Füße und zog sie halb heraus. Als Wallenberg sie an den Schultern faßte, stöhnte Toby auf.
    Fast hätte er sie fallen gelassen. »Mein Gott! Sie
lebt
ja noch.«
    »Nun mach schon«, sagte Monica.
    »Mein Gott, müssen wir es wirklich so machen?«
    »Ich habe keine Spritzen dabei. Es geht ganz unblutig. Ich möchte nicht, daß nachher irgendwelche Spuren zurückbleiben.«
    Wallenberg holte ein paarmal tief Luft, faßte dann erneut Toby an den Schultern. Zusammen hoben die beiden Männer sie aus dem Van und trugen sie durch die Dunkelheit. Anfangs konnte sich Toby keine Vorstellung davon machen, wohin sie sie brachten. Sie merkte nur, daß sie sie über unebenen Boden trugen und daß die beiden Schwierigkeiten hatten, den Weg zu finden. Hin und wieder fing ihr Blick etwas von Richard Trammell ein. Der Mond war aufgegangen. Sein weißblondes Haar glänzte im Licht. Sie sah
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