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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel
Autoren: Tess Gerritsen
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Schenkel. Hätte er nur das kleinste Anzeichen von Lust gezeigt, hätte Molly etwas gehabt, über das sie verfügen konnte, eine Andeutung von Macht. Doch in seinem Blick entdeckte sie keinerlei Verlangen.
    Die nächste Wehe kündigte sich an. Sie riß an den Gurten, wollte sich seitlich zusammenrollen und geriet vor Schmerz fast außer sich. Wütend warf sie den Kopf vor und zurück. Der Tisch wackelte, seine Stahlgestelle rappelten.
    »Die Infusion reicht nicht aus«, sagte die Frau. »Sollten wir nicht zur Narkose greifen?«
    »Dann verschwinden die Wehen«, antwortete der Mann. »Also keinerlei Anästhesie.«
    »Ich will
raus
hier!« schrie Molly.
    »Dieses Geschrei ertrage ich nicht«, sagte die Frau.
    »Dann leiten wir die verdammte Geburt eben ein. Erhöhen Sie die Dosis.« Er beugte sich vor und fuhr mit seinen behandschuhten Händen zwischen Mollys Schenkel.
    »Laßt … mich … raus hier!« japste Molly, und plötzlich versagte ihr die Stimme, als die nächste Schmerzwelle sie erfaßte. Die im selben Augenblick in sie eindringenden Finger des Mannes verstärkten den Schmerz noch, und sie schloß die Augen wieder. Tränen rannen über ihr Gesicht.
    »Gebärmutterhals voll erweitert«, sagte der Mann. »Es ist fast da.«
    Molly drückte den Kopf nach vorn. Sie stöhnte.
    »Gut, die Geburt ist im Gang. Na los, Mädchen. Pressen.«
    Molly preßte. Sie preßte die Worte heraus: »Leck mich.«
    »Pressen, verdammt noch mal. Oder wir holen es auf andere Weise.«
    »Leckt mich doch. Alle. Scheiß drauf …«
    Die Frau schlug Molly so brutal ins Gesicht, daß ihr Kopf zur Seite flog. Einige Augenblicke lang lag sie benommen da. Die Wange brannte, ihr Blick verschwamm. Der Schmerz der letzten Wehe nahm ab. Sie spürte Flüssiges aus ihrer Vagina rinnen und hörte es auf eine Papierunterlage unter ihr tropfen. Ihr Blick wurde wieder klarer, und sie sah den Mann an. Entdeckte in seinem Gesicht den angespannten Ausdruck von Erwartung und Ungeduld.
    Sie warten darauf, mir mein Baby wegzunehmen.
    »Noch mehr Pitocin«, sagte der Mann. »Bringen wir es hinter uns.«
    Die Frau manipulierte den Wehentropf, und einen Augenblick später spürte Molly die nächste Wehe kommen, diesmal so schnell und so heftig, daß ihre Gewalt sie schockte. Sie hob den Kopf, drückte das Kinn gegen die Brust und preßte. Blut schoß zwischen ihren Beinen hervor. Sie hörte es auf die Unterlage platschen.
    »Pressen.
Los, pressen!
« kommandierte die Frau.
    Die Schmerzen wuchsen ins Unerträgliche. Molly schnappte nach Luft und kämpfte. Ihr wurde schwarz vor Augen. Plötzlich explodierte ein neuer Schmerz in ihrem Kopf. Sie hörte sich selber schreien, aber es war ein ihr fremder Schrei, wie der Todesschrei eines sterbenden Tieres.
    »Genau so. Los doch, los …«, sagte der Mann.
    Sie preßte ein letztes Mal und spürte den Schmerz zwischen ihren Beinen, als dort etwas nach außen drang.
    Und dann war alles, Gott sei Dank, vorbei. Völlig erschöpft lag sie schweißnaß da und konnte sich nicht mehr bewegen oder auch nur einen Ton herausbringen. Vielleicht überkam sie jetzt der Schlaf – sie war sich nicht sicher. Sie wußte nur, daß einige Zeit vergangen und im Raum Bewegung war. Wasser wurde ausgeschüttet, eine Schranktür zugeschlagen. Mit großer Anstrengung öffnete sie die Augen.
    Zuerst blendete sie nur das Licht, die drei hellen Sonnen, die von oben auf sie herabstrahlten. Dann sah sie verschwommen den Mann zwischen ihren Schenkeln stehen und etwas in den Händen halten.
    Es hatte Haare, derbe schwarze Büschel, mit Blut verklebt. Sein Fleisch war rosa und formlos, wie ein Klumpen Fleisch aus der Metzgerei, der schlaff in den Händen des Mannes lag. Er bewegte sich. Zuerst nur ein Zittern, dann ein heftiges Schütteln.
    Der Klumpen zog sich zusammen, und die Haare sträubten sich wie das Fell einer erschrockenen Katze.
    »Primitive Muskelfunktion«, sagte der Mann. »Außerdem haben wir rudimentäre follikuläre und dentale Strukturen. Extremitäten nur angedeutet.«
    »Kochsalzlösung vorbereitet.«
    »Nebenan alles klar?«
    »Unser Patient liegt bereit. Wir brauchen nur noch das Gewebe.«
    »Ich wiege eben mal ab.« Der Mann streckte den Oberkörper und legte den Klumpen Fleisch auf eine Waage nicht weit von Mollys Kopf.
    Molly starrte den Klumpen an. Ein einzelnes Auge, lidlos, blicklos, starrte zurück.
    Ihr Schrei war markerschütternd. Wieder und wieder schrie sie, und der Schrecken, der sie gepackt hatte, wuchs noch mit
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