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Roter Engel

Roter Engel

Titel: Roter Engel
Autoren: Tess Gerritsen
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Plane dämpfte ihre Stimme.
    Außerdem hatte sie zu wenig Luft bei dem Druck, der auf ihr lastete.
    Wieder flog eine Schaufel voll herab. Erde rann ihr in die Augen, über die Haare, legte sich um ihren Körper, bedeckte ihre Glieder. Sie strampelte, aber der andere Körper und die Erde, die sich häufte, machten sie unbeweglich. Der eigene Herzschlag dröhnte ihr in den Ohren. Sie atmete schwer. Dann warf sie einen letzten Blick zum Sternenhimmel und schob das Gesicht wieder unter die Plane.
    Erde bedeckte ihren Kopf. Sie sah kein Licht mehr.

21
    Jetzt war er mit dem Schaufeln an der Reihe.
    Mit zitternden Fingern stieß er die Schaufel in die Erde und warf die erste Ladung hinein. Dann hielt er inne und blickte hinunter in das dunkle Loch. Die Frau da unten lebte noch. Ihr Herz schlug noch. Sie atmete noch. Sie wütete jetzt im Todeskampf, lag unter der Erdschicht im Sterben.
    Er ließ die nächste Ladung hinunterfallen, hörte das beifällige Murmeln Monicas und fluchte leise darüber, daß sie ihn zu so einer demütigenden Arbeit zwang. Sicher, diese letzten Beweise mußten sie beiseite schaffen, diese beiden Leichen – die Opfer eines schrecklich danebengegangenes Experiments, das nie aufgedeckt werden durfte. Und sie.
    Wir hätten uns die Spender genauer ansehen müssen. Wir hätten die Föten auf mehr als auf Befall durch Bakterien und Viren untersuchen müssen. Wir haben nie an die Möglichkeit von Prionen gedacht.
    Doch Yarborough war wie besessen davon gewesen, die Zellen zu implantieren. Das Gewebe mußte frisch sein. Darauf hatte er bestanden. Die Zellsuspensionen mußten binnen sieben Tagen nach ihrer Gewinnung eingepflanzt werden, sonst würden sie in den Gehirnen ihrer neuen Wirte nicht überleben. Würden keine Kolonien bilden. Und dann war da die lange Liste der begierig wartenden Empfänger gewesen, drei Dutzend Männer und Frauen, die ihre Einlagen in Brant Hill gemacht hatten und Anspruch auf eine zweite Jugend erhoben. Ein Risiko gebe es nicht, hatten sie ihnen versichert. Und tatsächlich war es eine ungefährliche Prozedur: eine Lokalanästhesie, die röntgenunterstützte Injektion der hypophysären Zellen ins Gehirn, und im Laufe weniger Wochen die allmähliche Verjüngung der Hypophyse des Besitzers. Er und Gideon hatten das dutzendemal ohne Komplikationen geschafft, bis dann Rosslyn das Projekt aus moralischen Gründen abbrach. Hätte man keine abgetriebenen menschlichen Föten dazu gebraucht, wäre die ganze Prozedur als medi-zinischer Durchbruch bejubelt worden. Ein Jungbrunnen, aus den Gehirnen der Ungeborenen und Ungewollten sprudelnd.
    Ein Durchbruch, ja. Aber einer, der aus politisch-gesell-schaftlichen Gründen für immer geächtet sein würde.
    Er machte eine Pause, denn er war außer Atem; der Schweiß rann ihm die Stirn hinab, ließ ihn zittern. Das Loch war jetzt nahezu voll. Staub mußte inzwischen in die Lungen der Frau gedrungen sein, mußte sie ersticken. Die Gehirnzellen würden nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Das Herz würde seine letzten verzweifelten Schläge tun. Er mochte Toby Harper nicht, er war dafür, daß man sie zum Schweigen brachte, doch er wünschte ihr einen barmherzigen Tod und dazu keinen, der ihn selbst noch jahrelang verfolgen würde.
    Nie hatte er daran gedacht, jemanden zu töten.
    Sicher, ein paar Föten waren geopfert worden, aber nur anfangs. Inzwischen benutzten sie dieses geklonte Gewebe, an dem kaum etwas Menschliches war. In die Gebärmutter eingepflanzt, wuchs es dort heran. Er hatte keine Schuldgefühle, was diese Herkunft des Gewebes anging. Auch seine Patienten hatten keinerlei Bedenken gehabt. Sie
wollten
das Zeug, und sie waren bereit, dafür zu bezahlen. Solange Brant Hill über all das nichts Genaueres wußte, war seine Arbeit weitergegangen, und das Geld war munter in seine Taschen geflossen.
    Doch dann waren Mackie und nach ihm die anderen gestorben.
    Jetzt ging es nicht mehr um das Geld, das er verlieren würde.
    Jetzt ging es um seine Position, seine Reputation. Seine Zukunft.
    Sind die einen Mord wert?
    Wenn er auch weiter Erde in das sich schnell füllende Loch schaufelte, war er sich doch qualvoll bewußt, daß diese Frau da unten starb
. Aber sterben wir nicht alle einmal? Die einen eines mehr, die anderen eines weniger schrecklichen Todes?
Er setzte die Schaufel ab. Ihm wurde übel.
    »Noch mehr Erde. Es muß ganz eben werden«, sagte Monica. »Es muß ganz natürlich aussehen. Die Bauarbeiter dürfen nichts merken.«
    »Mach
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