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Rot wie das Meer

Titel: Rot wie das Meer
Autoren: Maggie Stiefvater
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Corrs Zügel kämpfe, kracht mein Knie gegen Mutts, schmerzhaft, Knochen auf Knochen.
    Skata und Corr galoppieren Schulter an Schulter und jeder Schritt trägt uns weiter in die Brandung. Ich schmecke Salzwasser; es macht meinen Sattel glitschig. Jeder Muskel in Corrs Körper zittert und flirrt. Als ich einen Blick zu Mutt hinüberwerfe, sehe ich, dass er Schwierigkeiten hat, sich im Sattel zu halten.
    Zu spät sehe ich das Messer.
    Ich hebe den Arm. Ich kann mich und Corr nicht schützen.
    Aber er greift keinen von uns an. Stattdessen zieht er die Klinge über den Hals der Scheckstute, schlitzt eine scharlachrote Linie hinein. Sie ist außer sich vor Schmerz.
    »Viel Glück damit, Kendrick«, zischt Mutt.
    Er lässt die Zügel los.
    Skata stürzt sich auf uns.
    Puck Wir holen als Erstes zu Blackwell und Margot auf. Sie ist eine Braune, groß und schlank und lang wie ein Eisenbahnwaggon, und sie kämpft erbittert gegen ihren Reiter. Ihr Maul steht einen Spalt offen und sie scheint zu grinsen wie das schwarze Capaill Uisce, das uns in Doves Unterstand überrascht hat. Anfangs war sie atemberaubend schnell, jetzt aber hält Blackwell die Zügel kurz. Sobald er versucht, sie etwas lockerer zu lassen, driftet sie ab in Richtung Meer. Dove interessiert sich nicht für das Meer. Ich beuge mich tief über
    ihre Mähne – ihr Hals ist nass vor Schweiß, genau wie meine Hände, nur mit Mühe kann ich die Zügel halten – und treibe stärker. Sie schiebt sich an Blackwell vorbei.
    Jetzt sind nur noch Privett und Penda vor uns. Er reitet in großzügigem Abstand zum Wasser und ich könnte einfach dazwischen hindurchreiten. Wenn es mir jedoch gelingen würde, Penda näher an die Novembersee zu drängen, wären die beiden vielleicht so lange abgelenkt, dass ich in Führung gehen könnte. Das würde allerdings bedeuten, dass ich mich sehr nah an ein Capaill Uisce heranwagen müsste, ohne jeglichen Fluchtplan, und Dove steht schon die ganze Zeit kurz vor der Panik.
    Es ist nicht mehr weit. Vielleicht noch sechshundert Meter. Ich will mich keiner falschen Hoffnung hingeben, aber ich spüre schon, wie sie durch meine Adern pumpt.
    Nur – Corr sollte längst hier sein. Ich sollte hier vorn nicht mit Penda allein sein.
    Als ich einen Blick hinter mich werfe, kann ich ihn nicht sehen. Ich sehe Margot, die rasend schnell zu uns aufholt. Und die Federn von Doves unüblicher Satteldecke, die wie verrückt im Wind flattern.
    In meinem Kopf höre ich Seans Stimme, die sagt, dass es möglich ist. Und Peg Grattons, die mir einschärft, denen zu zeigen, wer ich bin. Ich weiß, dass es am Ende nicht darauf ankommt, ob Dove mutig genug ist. Es kommt darauf an, ob ich mutig genug für uns beide bin. Ich beuge mich über Doves Hals – Dove, meine beste Freundin – und bitte sie um alle Kraft, die sie noch hat.
    Sean Unter meinen Händen ist Corr und gleichzeitig nichts. Von irgendwoher höre ich einen hohen, klaren Schrei, dann falle ich. In dieser Sekunde zwischen Corrs Rücken und dem Wasser denke ich an die Dutzende von Pferden hinter uns und dann an den Tod meines Vaters.
    Meine einzige Chance ist, nicht hier liegen zu bleiben. Meine einzige Hoffnung, so auf dem Boden aufzuschlagen, dass ich mich zur Seite rollen kann, weg von all den Hufen, die hinter uns heranrasen. Ich könnte überleben, wenn ich nur das Bewusstsein behalte.
    Einen Moment lang sehe ich so klar wie noch nie: Corr, sein Gesicht eine rot verschmierte Maske, eine seiner Nüstern ist eingerissen; den weiten Horizont, unerreichbar fern; den blauen, blauen Novemberhimmel über uns.
    Das Vorderbein der Scheckstute schnellt hoch und trifft meinen Kopf.
    Der Aufprall auf dem Sand reißt mein Sehvermögen mit sich fort wie eine Meereswoge. Mein Mund ist voller Salzwasser, der Boden unter mir erzittert unter einem Donner von Hufschlägen und über mir ist nichts als Rot. Rot.

63
    Puck In dem Moment, als wir Ian Privett auf Penda überholen, wirft Ian einen Blick zu mir herüber und ich sehe ihm an, dass er seinen Augen nicht traut.
    Und dann ist das Rennen vorbei.
    Selbst als ich sehe, dass wir als Erste die Linie überqueren, selbst als Margot sie eine halbe Sekunde später passiert und eine weitere Sekunde darauf, Nase an Nase, Ake Palsson und Dr. Halsal, kann ich es noch immer nicht glauben.
    Ich zügele Dove, klopfe ihr lachend auf den Hals und wische mir mit einem blutigen Handrücken die Tränen aus den Augen. All meine Schmerzen sind wie weggeblasen; alles, was bleibt, ist
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