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Rosentraeume

Titel: Rosentraeume
Autoren: Virgina Henley
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zu schützen, so hatte er doch nie zuvor eine Frau getroffen, die mehr als nur seine Sinne reizte.
    Auf seiner ausgestreckten Hand spürte er eine Träne. Durch magische Kraft hatte er sie zu sich geholt. Er leckte sie von seiner Hand, und jegliches Verlangen nach einem anderen Weib schwand wie Schnee an der Sonne. Er spannte die Muskeln an und sprang dann leichtfüßig über die mit Schießscharten versehenen Zinnen, kletterte an der Mauer des Schlosses hinunter. Ohne ein Seil oder ein anderes Hilfsmittel war das fast unmöglich, doch Drakkars Behendigkeit machte es ihm so leicht, als klettere er eine Leiter abwärts.
    Kurz darauf war Christian wieder in seinem Pavillon und lag rücklings auf seinem Lager, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Er probierte seine Sinne aus.
    Alle sieben.
    Der schwache Schein des Mondlichtes drang durch die seidene Wand. Die Umrisse der bronzenen Lampe, die nicht brannte, hoben sich scharf ab vor dem Weihrauchbrenner. Er erkannte Salome auf ihrer Stange, selbst im Schlaf noch war sie eine stolze Erscheinung. Seine Blicke durchforschten das Zelt, er sah alles, nichts entging ihm.
    Von seinem eigenen Körper stieg Mandel- und Weihrauchduft auf. Er roch auch das Sandelholz, das in dem kleinen Ofen brannte. Doch konnte dieser Geruch nicht den scharfen Ammoniakgeruch der Exkremente des Falken überdecken. Von draußen wehte der Rauch der Lagerfeuer herein, er nahm das qualmende Fett des gerösteten Wildes wahr, den Geruch sauren Weins, gemischt mit dem billigen Parfüm der Dirnen. Und er schnupperte die fruchtbare braune Erde, die Pferde, Nußbäume und am vordringlichsten die Meeresbrise.
    Christian fühlte die kühle Nachtluft auf seiner Haut. Unter seinem Rücken war das Leintuch rauh. Seine Finger fühlten den warmen Bernstein in seinem silbernen Amulett. Seine Körperwärme erhitzte das Metall förmlich.
    Schwach schmeckte er noch den Safran und den Fenchel der Mahlzeit im Schloß, das Aroma des vollmundigen roten Weines lag auf seiner Zunge, ebenso wie das Jod und das Salz der Meerluft. Doch auch der Geschmack der einzelnen Träne, warm und leicht duftend, haftete an seinen Lippen. Sein Körper regte sich, aber sofort übernahm sein Verstand die Kontrolle und stellte seinen Hörsinn auf die Probe.
    Der Reihe nach blockte er die groben Geräusche betrunkenen Lachens, von Musik, bellenden Hunden und ruhelosen Pferden ab und konzentrierte sich auf die Stimmen der Natur. Ein leichter Wind ließ die Blätter rascheln, das Feuer knisterte, ein Bach in der Nähe plätscherte, der Schrei eines nächtlichen Reihers erklang über viele Meilen hin. Sein scharfes Gehör richtete sich auf den eigenen Herzschlag und dann auf den seines Jagdfalkens.
    Er ging weiter zu seinem sechsten Sinn. Das Erfassen des Wesentlichen war eine Frage der Wahrnehmung, wenn alle anderen Sinne aufs äußerste gespitzt waren. Man erlangte es schrittweise durch Entbehrung. Als seine Lehrer ihm sieben Tage lang die Augen verbunden hatten, hatten seine anderen Sinne sich langsam geschärft, um den Verlust des Augenlichtes auszugleichen. Schließlich hatte er gelernt, zu reiten und sogar zu kämpfen, indem er nur mit seinem geistigen Auge sah.
    Sein siebter Sinn entwickelte sich erst. Nur ab und zu erreichte er das perfekte Stadium. Dafür war es nötig, in sich zu gehen, tiefer und tiefer, bis zum Kern, wo er die äußerste Macht, bekannt als Gottheit, erleben durfte.
    Christian wußte, daß eine seiner »Visionen« bevorstand. Hinter den geschlossenen Augenlidern zuckte ein heller Blitz, dann folgten lebhafte Szenen nacheinander in schneller Folge. Er befand sich an einer Küste, inmitten einer Flotte von Schiffen. Als ihm klar wurde, daß er den Ort am besten von oben betrachten könnte, erhob er sich hoch über die Masten der Segelschiffe. Sofort stellte sich das Wissen ein, daß das, was er erblickte, die französische Flotte war. Noch ehe seine Vision wieder verschwand, kannte er die genaue Anzahl der Schiffe und den Ort, an dem die Flotte sich versammelt hatte.
    Hawksblood entspannte sich und schlief ein. Seine Gedanken, die jetzt befreit waren von den starken Fesseln, stoben davon wie ein freigelassener Hengst im Wüstensand. Seine Gedanken gingen zu dem schwer faßbaren Objekt seines tiefsten Verlangens, doch nunmehr besaß er nur einen seiner Sinne. Er konnte nicht riechen, nicht schmecken und auch nicht berühren. Deshalb konzentrierte Christian sich auf das Sehen.
    Mit aller Kraft. Und er fand sie.
    Ihre Haut
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