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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot
Autoren: Emily Arsenault
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irgendeinen der anderen Hunde holen, oder? Ihr Kater kann bestimmt fühlen, was mit Rose ist.«
    »Ich weiß nicht, ob Rose den Kater so wahnsinnig gerne mag. Sie redet fast nie über ihn.«
    »Teenager reden nicht über ihre Haustiere«, erwiderteCharlotte, als wäre ich blöd. »Das heißt aber nicht, dass sie ihn nicht liebt.«
    Charlotte und ich packten zusammen und gingen hinaus zu der kahlen Stelle. Charlotte hatte einen Zeichenblock mitgebracht, um die Symbole zu üben. Sie setzte sich unter den großen Ahornbaum und kritzelte auf dem Papier herum, während ich anfing, mit einer Gartenschaufel zu buddeln, die Charlotte in der Garage gefunden hatte. Ich kratzte den Boden auf, damit er locker wurde, und schaufelte hier und da ein paar Hügel weg.
    »Du kannst das Feld ruhig größer machen«, sagte Charlotte und radierte etwas auf dem Block weg. »Auf der Seite ist sowieso fast kein Gras, da macht es sicher nichts, wenn du das bisschen umgräbst.«
    »Okay.«
    Ich legte ein Viereck von etwa drei mal fünf Fuß frei und teilte es in der Mitte durch eine schmale Rille. Dann hockte ich mich zu Charlotte unter den Ahorn.
    »Bis jetzt habe ich das hier«, zeigte sie mir. »Ich finde, wir nehmen die obere Reihe für ›Wo‹ und die untere für ›Wann‹. Wir wollen wissen, wo sie ist und wann sie wiederkommt.«
    »Okay.«
    »Und hier sind ein paar Symbole, die wir nehmen können.« Sie reichte mir den Zeichenblock.
    Fragend zeigte ich auf das erste Symbol, ein Viereck mit einem kleinen Schweif auf der linken Seite.
    »Noch in Connecticut«, erklärte Charlotte.
    Jetzt erkannte ich die Umrisse unseres Bundesstaates auch. In der vierten Klasse hatten wir sie an die hundert Mal zeichnen müssen. Dann tippte ich auf ein nicht besonders gelungenes Flugzeug.
    »Weit weg«, sagte Charlotte. »In einem anderen Staat.«
    Ein Saturn. »Aliens haben sie ins Weltall entführt.«
    Ich sah Charlotte an. »Aliens? Das ist nicht lustig; das ist doof.«
    »So, wie sie darüber geredet hat, habe ich gedacht, wir müssten es mit reinnehmen.«
    »Meinetwegen.«
    Vier vertikale Linien. »Sie sitzt irgendwo fest und versucht zurückzukommen. Die Linien sind wie ein Gefängnis.«
    Ich wollte mir Rose nicht in einem Gefängnis oder Schlimmerem vorstellen.
    Dann war da noch ein Strichmännchen mit wehendem Haar und ausgestreckten Armen. Die Beine hatte Charlotte mehrmals wegradiert und neu gemalt, bis es aussah, als ob sie liefen.
    »Sie ist weggelaufen«, erklärte Charlotte.
    Ich nickte und sah mir die »Wann«-Symbole an.
    Ein Mond und eine Sonne: »Heute Abend.«
    Ein Kreuz: »Vor Sonntag.«
    Ein Tannenbaum: »Vor Weihnachten.«
    Ein kleines Raster mit Vierecken. »Noch lange nicht. Das ist ein Kalender, also viele Tage.«
    »Ist das alles?«, fragte ich.
    »Mehr hab ich noch nicht. Aber ich kann mir mehr ausdenken, wenn du willst.«
    Ich gab ihr den Block zurück. Etwas fehlte, doch ich wusste nicht, ob es zu »Wo« oder »Wann« gehörte. Ein Symbol dafür wäre ziemlich einfach: entweder ein Schädel mit gekreuzten Knochen oder die Hufeisenform eines Grabsteins.
    Ich sah Charlotte an. Mir war schlecht, doch sie wirkte nur gespannt.
    »Was ist?«, fragte sie.
    »Aber was ist mit ...«
    Charlotte neigte den Kopf zur Seite und wartete. Vielleicht sollten wir es besser nicht aussprechen. Es war, wie wenn ich zu Hause etwas besonders Finsteres sagte – dass wir bei irgendetwas Pech haben könnten, zum Beispiel, oder dass Eichhörnchen manchmal an Eicheln ersticken – und meine Mutter meinte: »Daran wollen wir nicht einmal denken, Nora . « Das hier könnte so ähnlich sein. Wir wollten nicht daran denken und erst recht nicht darüber reden.
    »Nichts«, sagte ich deshalb und kniete mich in das erste Viereck aus Erde, froh, etwas zu tun zu haben, was mich von dem ablenkte, woran wir nicht denken wollten. Emsig strich ich die Erde mit beiden Händen glatt und schob sie an den Rändern dann mit den Zeigefingern so zusammen, dass Markierungen entstanden.

Eins

    18. Mai 2006
    Natürlich rief Charlotte an, als ich gerade gar nichts tat. Früher hatte sie mich dauernd vor dem Nichts gerettet. Was machst du gerade? Nichts. Und verglichen mit Charlottes Zuhause, wo es einen großen Bruder gab, einen Basketballkorb, einen Videorekorder, ein Trampolin und eine Speisekammer voller Oreo-Kekse, war mein Zuhause wirklich nichts. Willst du rüberkommen? Ich hockte in einer kleinen Wohnung mit sauberen Holzfußböden, einem verschneiten Fernsehbild
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