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Rosenmunds Tod

Rosenmunds Tod

Titel: Rosenmunds Tod
Autoren: Theo Pointner
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war entsetzt gewesen, er hatte versprochen, mit ihrem Vater zu reden.
    Genützt hatte es scheinbar wenig. Keine zwei Wochen später gab es wieder einen dieser Abende, an denen ihr Vater angetrunken nach Hause kam. Es war eigentlich ein wunderschöner Abend im Hochsommer gewesen, Carla lag bei weit geöffnetem Fenster in ihrem Bett und war kurz davor, einzuschlafen, als die Schreie aus dem im Erdgeschoss gelegenen Wohnzimmer zu ihr hochdrangen. Ihr Magen krampfte sich augenblicklich zusammen, sie wusste, wie es weitergehen würde. Ihre Eltern gifteten sich an, ein Wort gab das andere und dann hörte sie die Schmerzenslaute ihrer Mutter. Ihr Vater bevorzugte zum Schlagen einen Ledergürtel oder einen der schweren hölzernen Kleiderbügel.
    Mit jeder Minute, in der sie die klatschenden Geräusche und die Schreie ihrer Mutter gehört hatte, war ihre Angst und Verzweiflung gewachsen. Nicht schon wieder, die Prellungen und Blutergüsse der letzten Gewaltorgie waren noch gar nicht abgeheilt. Am ganzen Leib zitternd hatte sie sich aus ihrem Zimmer geschlichen, war leise die Treppe heruntergehuscht und geflohen, hinaus in die Dunkelheit auf den menschenleeren Bürgersteig. Onkel Hans war ihr sofort eingefallen, da war sie bestimmt in Sicherheit.
    Swoboda war tatsächlich zu Hause gewesen. Besorgt hatte er sie in sein Wohnzimmer geführt, ihr einen Kakao gemacht, sich neben sie gesetzt und sie zärtlich in den Arm genommen. Ihre Tränen waren irgendwann versiegt, eng hatte sie sich in ihrem kurzen Nachthemd an ihn gekuschelt. An diesem Abend hatte er ihr zum ersten Mal gezeigt, dass Männer auch etwas anderes tun konnten als zuschlagen.
    Sie wusste nicht, ob sie jetzt selbst ungeschoren aus der Geschichte herauskommen würde, scheinbar hatte sie doch Fehler gemacht. Aber woher hätte sie wissen sollen, dass dieser dickliche Jugendliche aus Freiburg den ersten Mord über das Internet beobachtet hatte? Sie war bei der Tat zwar maskiert gewesen, aber sie wusste nicht mehr, wann sie die Gesichtsmaske abgenommen hatte. Bevor sie den Computer von diesem Miststück Svenja manipuliert hatte? Oder doch danach?
    Es war alles so einfach gewesen. Das zweite Mädchen hatte sie auf der Straße abgefangen und ihm gesagt, sie sei die Anwältin von Onkel Hans und müsse dringend mit ihm sprechen. Die Schlampe war sofort zu ihr in den Wagen gestiegen und hatte keinen Verdacht geschöpft. Gut, heute, bei der dritten, hatte sie unverschämtes Glück gehabt. Wäre sie nur eine Minute später aus dem Vernehmungszimmer des Präsidiums getreten, hätte sie nichts mehr retten können. Dass das Kind ausgerechnet sie gefragt hatte, wie es zu Wielert käme.
    Auch dieser Bengel in Freiburg war zunächst kein Problem gewesen. Das Früchtchen hatte es überhaupt nicht fassen können, als sie ihm in der Videothek schöne Augen gemacht hatte, bereitwillig war er nach seinem Feierabend zu ihr in den Wagen gestiegen. Doch dann wäre sie beinahe unmittelbar nach dem Mord aufgeflogen, diese dumme Reifenpanne hätte fast alles verpatzt.
    Die Fliege hob mit schwereloser Leichtigkeit ab, kreuzte eine Weile orientierungslos durch die Luft und schwenkte dann in eine Umlaufbahn um die Deckenlampe. Carla sah wieder auf die Uhr. Ein paar Minuten nach sechs, langsam musste sie sich fertig machen.
    Katzengleich stand sie auf und ging an dem mit einem Kleid verhangenen Spiegel des Schranks vorbei ins Badezimmer. Zunächst setzte sie sich auf die Toilette, dann legte sie eines der hoteleigenen Badetücher zurecht und schlüpfte aus ihren Kleidern, die achtlos zu Boden glitten. Während sie das Designerkostüm mit dem Fuß zur Seite schob, drehte sie das Wasser auf. Lauwarm, höher durfte die Temperatur nicht sein.
    Carla atmete tief durch und betrat die Duschkabine. Das Wasser prasselte auf ihre Beine, dann auf den Unterleib, ihre Brüste, die Schultern und schließlich das Gesicht. Noch war alles in Ordnung. Vorsichtig drehte sie sich ein wenig zur Seite, der Schmerz kam augenblicklich.
    Psychosomatisch, hatten ihr die Ärzte gesagt, die Wunden konnten nicht mehr schmerzen, nicht nach den siebenundzwanzig Operationen, die sie über sich hatte ergehen lassen müssen. Klugscheißer. Jeder Wassertropfen, der ihren Rücken traf, fräste sich mit der Intensität einer Bohrmaschine in ihre Sinne, je heißer das Wasser war, umso schlimmer war es.
    Sie erledigte die Körperpflege, so schnell es ging, die Haare hatte sie sich bereits heute Morgen gewaschen. Keuchend drehte sie das
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