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Rosenmunds Tod

Rosenmunds Tod

Titel: Rosenmunds Tod
Autoren: Theo Pointner
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Wasser ab, schob die Kabinentür zur Seite und griff nach dem Badetuch. Ihre Vorderseite nibbelte sie kräftig trocken, beim Rücken nahm sie sich sehr in Acht. Vorsichtig zupfte Carla die Tischdecke, die sie über den Badezimmerspiegel gehängt hatte, herunter und prüfte kurz ihr Gesicht. Kein Make-up, sie wollte nicht übertreiben. Schnell hängte sie das Tuch wieder über den Spiegel und ging nackt zurück in den Wohnraum.
    Sie öffnete den Schrank, immer darauf bedacht, nicht das Kleid zu verrücken. In ihrer eigenen Wohnung gab es nur einen einzigen Spiegel, in ihrem Kosmetikkoffer. Niemandem war es bisher aufgefallen, sie bekam keinen Besuch.
    Natürlich hätte sie jeden Tag pendeln können, so weit lag Bochum ja von Düsseldorf nicht entfernt, aber sie wollte in dieser schweren Zeit so nah wie möglich bei Onkel Hans sein. Immerhin hätte er sie unerwartet brauchen können.
    Damals hatte sie ihn gebraucht. Nach diesem ersten Abend, an dem er sich so zärtlich um sie gekümmert hatte, war sie in eine andere Welt versunken, sie wollte jetzt nur noch bei Onkel Hans sein. Ihr Vater hatte ein fürchterliches Donnerwetter losgelassen, als sie am nächsten Morgen zurückgekehrt war, aber seine größte Wut war da bereits verraucht gewesen. Und die schallenden Ohrfeigen, die er ihr verpasst hatte, waren nichts im Vergleich zu dem gewesen, was sie sonst hatte aushalten müssen.
    Neun Monate hielt ihre Liebe allen Widrigkeiten stand, bis ihre Mutter Onkel Hans und sie zufällig in seinem Garten beobachtete. Es war gar nichts Besonderes passiert, sie hatten auf der Hollywoodschaukel gesessen, sie hatte ihn gestreichelt und sie hatten sich geküsst. An diesem Nachmittag hatte sie erst das zweite Mal ihre Tage gehabt, Onkel Hans war sehr rücksichtsvoll, er begnügte sich mit einfachen war, hatte ihr ihre völlig hysterische Mutter ins Gesicht geschlagen, sie mit den schlimmsten Schimpfwörtern versehen, die sie bis dahin gehört hatte. Carla verstand nicht, was los war, aber ihre Mutter war regelrecht in Raserei geraten. An den Haaren hatte sie das Kind ins Auto gezerrt, sie wollte unbedingt zur Polizei. Aber unterwegs hatte ihre Mutter dann versucht, sie beide umzubringen. Nun, sie hatte überlebt, ihre Mutter nicht.
    Für Carla war eine Welt zusammengebrochen, als Onkel Hans ihr vor wenigen Tagen gestand, dass er tatsächlich zu anderen Kindern Kontakt gehabt hatte. In all den Jahren hatte sie geglaubt, er liebte nur sie, es gäbe keine andere für ihn. Aber er hatte es ihr erklärt. Diese kleinen Schlampen hatten ihn verführt, die Mädchen waren heutzutage ganz anders als sie damals. Ihr war es um Gefühle, um Liebe, um Nähe gegangen; die verdammten Miststücke wollten nur Geld. Nun, Carla hatte sie angemessen entlohnt.
    Unschlüssig stand sie vor den wenigen Kleidungsstücken, die sie ins Hotel mitgenommen hatte, und überlegte, was für die Verabredung mit der Lesbe angebracht war. Schließlich entschied sie sich für den knielangen, hochgeschlitzten grauen Rock, die glänzende schwarze Strumpfhose, einen Tanga, ein ärmelloses, graues Shirt und die weiße Seidenbluse. Auf einen BH verzichtete sie, das würde die Kuh nur noch mehr anmachen und ihr die Sinne vernebeln.
    Natürlich dachte sie nicht eine Sekunde daran, mit de Vries wirklich etwas anzufangen, Onkel Hans war der Letzte gewesen, der sie hatte berühren dürfen. Aber vielleicht gelang es ihr ja, die Staatsanwältin so zu verwirren, dass sie sich nicht mehr auf den Fall konzentrieren konnte und sich unter Umständen zu einem Verfahrensfehler hinreißen ließ. Es hing alles von ihr ab.
    Carla schlüpfte in die High Heels, schloss den Schrank und schob das Kleid eine Spur zur Seite. Sie sah perfekt aus, wie eigentlich immer. Angekleidet ertrug sie ihr Spiegelbild für einen Moment, die hügelige, vernarbte Kraterlandschaft auf ihrem Rücken war unter der Kleidung verborgen. Sie ließ das Kleid in seine ursprüngliche Position zurückfallen und zündete sich eine Zigarette an. Ein paar Minuten hatte sie noch Zeit, darum setzte sie sich wieder auf die Bettkante, rauchte und hielt nach der Fliege Ausschau, die sich wieder auf ihrer Lieblingsposition über der Kommode niedergelassen hatte.

43
    »Mann, Hofmann, du gehst mir auf den Geist«, stöhnte Katharina. »Halt doch endlich mal die Backen.«
    »Aber das war echt ein geniales Spiel. Hast du das wirklich nicht geguckt?«
    »Nein. Und wenn du nicht bald mit diesem Scheißfußball aufhörst, werden deine
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