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Rosenfolter

Rosenfolter

Titel: Rosenfolter
Autoren: Friederike Schmöe
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langer Hand
geplant alles änderte. Später würde sie darüber nachdenken.
    Nun stieg sie einfach
ein. Das Boot schwankte unter ihrem Gewicht. Natürlich würde ihr vorgehalten werden,
dass es ungesetzlich sei, was sie tat. Der Besitzer des Kanadiers würde voraussichtlich
nicht hierherkommen, bis sie zurück war. Vielleicht gehörte das Boot einem Angler,
der gerade seinen morgendlichen Fang in die heimische Tiefkühltruhe packte? Nur
eine Spritztour. Zur Inselspitze. Sie war neugierig auf das Gelände, die Bepflanzung,
die ganze Anlage. Man hatte viel in der Zeitung gelesen und Gerüchte gehört. Wie
würde es sein, kurz vor der Eröffnung?
    Sie überquerte
die Regnitz. Es war mühsamer, als sie gedacht hatte, gegen die Strömung anzupaddeln.
Sie legte an der Inselspitze an. Zurrte den Kanadier fest und stieg an Land. Es
fühlte sich ein klein wenig an wie die Landnahme an feindlicher Küste. Katinkas
Atem wurde schneller. Schlafmangel ließ einen Menschen auf die verrücktesten Ideen
kommen. Tausche Fahrrad gegen Boot. Auch gut.
    Sie schlenderte
den Uferweg am Kanal entlang. Gegenüber lag der Hafen. Schrottberge türmten sich
auf, die alten Speicherhäuser lugten aus den Nebelfetzen. Der Kontrast zwischen
dem industriellen Ambiente drüben im Hafen und dem idyllischen Regnitzufer auf der
Südseite der Insel wirkte unwirklich.
    Kehr um, meldete
sich eine kleine, vorsichtige Stimme in Katinkas Kopf. Sattle die Hühner, Frau Privatdetektivin,
das hier gibt Ärger.
    Aber der Nebel
fühlte sich an wie ein unsichtbarer Schutz, und Katinka mochte es, Grenzen zu verschieben.
Auch Grenzen des Erlaubten. Gerade solche. Immer alles richtig zu machen – es erschien
ihr wie ein Hohn. Hardo würde diese Einstellung nicht gut heißen. Umso besser. Man
muss sich selbst treu bleiben. Beziehung hin oder her.
    Katinka überquerte
die Pyramidenwiese, überzeugt, dass kein Sicherheitsmann sie sehen würde. Denn der
Dunst wurde wieder dichter, das Licht milchiger. Ein typischer Bamberger Morgen.
Im Laufe des Tages würde die Sonne durchbrechen, der Himmel wäre strahlend blau.
    Sie hockte sich
für einen Moment auf der abschüssigen Seite der Pyramidenwiese hin und bewunderte
den Gaustadter Kirchturm, der aus den Nebelbänken ragte. Die feuchten Schleier verhüllten
ihn und gaben ihn wenig später wieder frei. Weit unter ihr lag der neu angelegte
Fischpass. Mehr Fische als erhofft, und mehr Fischarten als kalkuliert. Das waren
die Meldungen, die Frohsinn stiften sollten. Es ist noch nicht alles zerstört, die
Natur behilft sich und wir helfen ihr. Ein Reiher stand einbeinig im Dunst, direkt
am Wasser. Ja, Freundchen, dein Tisch ist reich gedeckt. Angeb-lich hatten sich
hier sogar Eisvögel niedergelassen.
    Allerdings gehörte das Bein sicher nicht in die renaturierte Idylle. Ein
menschliches Bein. Katinka legte die Handflächen auf die feuchte Wiese. Sie blinzelte
angestrengt.
    Ein Bein im Fischpass.
Bekleidet mit einer dunklen Hose, darunter zeigte sich ein Stück weiße Männerhaut,
es folgten eine dunkle Socke und ein Schuh. Irgendwie schien das alles zusammen
zu gehören. Ohren, Finger, Hände, jetzt ein Bein. Klar.
    Sie rutschte die
Wiese hinunter und stolperte an Büschen und Sträuchern vorbei, bis sie am Bachufer
stand.
    Allerdings handelte es sich bei dem Objekt, das die Besinnlichkeit des Morgens
sträflich zerrüttete, nicht ausschließlich um ein Bein. Da lagen zwei Beine. Zusammen
mit einem ganzen Körper. Einem männlichen Körper. Auf dem weißen Hemd des Toten
lag eine langstielige Rose. Rot.
    Blinde Stunden.
    Übler hätte es
nicht kommen können.
     
     
    8
     
    Feli Bohnstett interessierte sich
für eine Menge Dinge. Am meisten für solche, die sie umsonst bekam. Denn einerseits
hatte sie kein Geld. Sie lebte von Hartz IV, und davon konnte man zugrunde gehen,
fand sie. Andererseits war sie neugierig. Von Kindheit an. Anders als die meisten
Erwachsenen hatte sie diese Neugier mit den Jahren nicht abgelegt, sondern kultiviert
und ausgebaut. Überrasche dein Gehirn einmal am Tag, das war ihr Wahlspruch. Schließlich
hatte Feli Bohnstett etwas im Überfluss, was den meisten vollkommen abging: Sie
hatte Zeit. Daher stapfte sie gern auf Wertstoffhöfen herum, durchforstete Mülldeponien
und entdeckte dabei eine Menge wertvolle Dinge. Funktionsfähige Radios, Quirle,
Küchenmaschinen. Werkzeug. Klamotten. Sie hatte sogar mal einen Fuchsmantel gefunden.
Ihn emsig gereinigt. Sie trug ihn im Winter. Ein Traum.
    Auch ihre
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