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Rosenfolter

Rosenfolter

Titel: Rosenfolter
Autoren: Friederike Schmöe
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plötzlich.
    »Klar. Warum fragen
Sie?«
    »Es fiel mir gerade ein. Überall gibt es kranke Typen. Finden Sie nicht?«
    »Doch, sicher.«
    »Linda und ich haben uns zu Weihnachten gegenseitig Dauerkarten für die
Landesgartenschau geschenkt. Damit wir zu jeder Tages- und Nachtzeit reinkönnen.
Auf das Gelände, meine ich. Waren Sie im September beim Baustellenfest? Da habe
ich wirklich Blut geleckt.« Sie kicherte, als ihr auffiel, wie doppeldeutig ihre
Formulierung klingen musste.
    »Gehen Sie raus auf die Treppe«, bat Katinka.
    Emma Theiss stellte sich auf die obere Stufe.
    »So, ich komme
aus dem Schlafzimmer.« Katinka schaffte es bis fast zur Treppe, ehe Emma Theiss
herumfuhr.
    »Es ist vorstellbar.
Dass der Angreifer aus dem Bibliothekszimmer kam«, behauptete Katinka.
    »Trotzdem seltsam.
Warum attackiert er Linda? Wenn sie ihn gar nicht bemerkt hat? Dann hätte er fröhlich
die Bude ausräumen können, und sie wäre Stunden später nach Hause gekommen und er
hätte längst das Weite gesucht.«
    »Guter Einwand.«
Katinka nickte. Irgendein Mosaikteilchen fehlte, um das Bild vollständig sehen und
die Ereignisse rekonstruieren zu können. »Wollen Sie bei mir anfangen? Als Juniorermittlerin?«
    Emma Theiss lachte
schallend.
    »Lassen Sie uns
gehen.«
    »Aber Sie glauben
Linda doch?«
    »Ich glaube ihr.« Aber ich kann mir den Zusammenhang trotzdem nicht erklären,
schob Katinka still für sich nach.
    Sie verließen die
Villa. Katinka sah zu, wie Emma Theiss ordentlich zuschloss.
    »Irgendwas Dunkles
hängt über der Stadt. Finden Sie nicht?«, murmelte die alte Dame.
    Katinka zuckte
die Achseln. »Der Frühling hat jedenfalls vielversprechend begonnen.«
    »Das mit den abgetrennten
Gliedmaßen. Ein Ohr, ein Finger, dann eine ganze Hand. Irgendwie gruselig.«
    »Und?«, bohrte
Katinka.
    »Ich frage mich,
ob das alles was zu bedeuten hat. Ein Ohr. Wozu ein Ohr? Oder der Finger. Dann Lindas
Sturz. Ich reite jetzt vielleicht auf dem immer gleichen Gedanken herum, aber warum
hat der Einbrecher nicht gewartet, bis Linda weg war? Um dann in Ruhe zu schauen,
was es zu holen gab?«
    »Er kann ja nur
auf etwas Bestimmtes aus gewesen sein.« Und er war ein Profi, fügte Katinka im Stillen
hinzu. Er wusste genau, wie er ins Haus kam, ohne Spuren zu hinterlassen. Vermutlich
hat er Linda Roose eine gute Weile observiert. Sich ihre Gewohnheiten eingeprägt.
    »Sie können sicher
sein, dass ich mich bei Ihnen melde«, sagte Emma Theiss.
    »Prima. Bis dann.«

15.4.2012 – Sonntag
     
    7
     
    Die Schlaflosigkeit
wurde allmählich zur Gewohnheit. Mit schöner Regelmäßigkeit wachte Katinka gegen
vier Uhr früh auf. Ging zur Toilette, legte sich wieder hin, grübelte über das Haus
in der Concordiastraße. Alle wollten ihr den Kauf madig machen. Wo sie sich auf
Träume berief, führten ihre Gesprächspartner Vernunftargumente an. Vor allem natürlich
Hardo.
    Sie war kein unvernünftiger Mensch. Und auch kein Emotionshardliner. Aber
irgendwas war an diesem Haus, was sie faszinierte. Vielleicht, dass es alt und brüchig
war. Dass es ein bisschen Mitleid und Fürsorge verdient hatte.
    Außerdem liebte Katinka die enge Straße, die vielen bunten Fassaden, wo
keine wie die andere aussah, das ungleichmäßige, grobe Kopfsteinpflaster, den Ziehbrunnen
an der Ecke zum Unteren Stephansberg, die winzigen Gässchen, die zum Fluss hinunter
führten. Der marode Charme zog sie an. Das ein ganz klein wenig Vergammelte, das
Flair des Unfertigen, der Geruch nach Flusswasser, der sich an warmen Tagen über
das Viertel legte, die Tatsache, dass keine Wand hundertprozentig gerade stand,
dass man in diesem Haus keine Wasserwaage brauchen würde, dass das Augenmaß reichte

    An Einschlafen war nicht mehr zu denken. Selbst heute, am Sonntag, nicht.
Nachdem sie sich 20 Minuten im Bett gewälzt hatte, stand sie auf und trat ans Fenster.
Sie könnte ebenso gut joggen gehen. Rasch zog sie sich an. Doch als sie aus dem
Haus trabte, stand ihr Fahrrad an der Mauer. Sie schwang sich in den Sattel.
    Zum ERBA-Gelände
war es nicht weit. Sie liebte den Radweg an der Regnitz entlang. Um diese Zeit hatte
sie freie Bahn, ohne mit viel Geklingel und »Vorsicht, bitte« schnarchlangsame Fußgänger
umschiffen zu müssen. Über dem Fluss hing Nebel. Es war kalt. Sie fröstelte in ihrem
Softshell. Ein Eichhörnchen flitzte knapp vor ihr über den Weg. Kein Mensch war
unterwegs.
    Emma Theiss und
ihre düstere Stimmung glitt durch Katinkas verschlafenes Hirn:
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