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Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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Rücken.
Und überhaupt. Sein Hund, seine Freiheit, Lola, seine neue Wohnung – das
war seine neue Welt. Er erwischte sich dabei, dass er unruhig mit dem Fuß auf
den Boden tappte. Er zwang sich, stillzusitzen.
    »›Ihr Hund, Ihre Freiheit, Ihre Partnerin‹ werden Sie entgegnen
wollen.«
    Als könnte er Gedanken lesen. Glatte Eins in Treffsicherheit.
    »Wir möchten Ihnen dennoch ein Angebot machen. Wir hätten gern, dass
Sie kommissarisch die Leitung des Rosenheimer Kommissariats 1 übernehmen. Bis
der geplante Nachfolger zur Verfügung steht. Sie leben jetzt ja quasi vor der
Haustür.« Er musterte Ottakring über den Brillenrand hinweg. »Natürlich wäre
das ein außerordentlicher Schritt. Doch …«, er nickte dem Rosenheimer zu,
»… der Kollege Schuster ist einverstanden. Und auch die Politik macht mit.
Ich habe mit dem Staatssekretär gesprochen. ›Ungewöhnliche Situationen
erfordern ausgefallene Maßnahmen‹, hat er gesagt. In Anbetracht der Bedeutung
dieser Position und angesichts Ihrer Fähigkeiten, Herr Ottakring …« Das
Lächeln auf dem Gesicht des Präsidenten war verschwunden. In seiner Stimme lag
plötzlich ein bedrohlicher Beiklang. Er sah Ottakring aus zusammengekniffenen
Augen an.
    Ottakring lehnte sich zurück. Die können gar nichts von mir wollen,
war sein erster Gedanke. Ich bin pensioniert und damit basta. Doch seine
Lässigkeit währte nicht lange. Es wäre eine Herausforderung wie für ihn
gemacht. Am liebsten hätte er seine Haftschalen herausgenommen und geputzt. Er
musste Zeit gewinnen. Denn natürlich sah er auch gewisse Probleme auf sich
zukommen. Er verbarg seine Nervosität und widerstand der Versuchung,
aufzustehen und auf und ab zu gehen. Vor zehn Tagen hatten in seiner
Jackentasche noch Zigaretten gesteckt. Aufpassen, dass ich nicht zittre, dachte
er. Es kam ihm grad recht, dass sich plötzlich Stille herabsenkte, als ob der
ganze Saal auf seine Antwort wartete.
    Da sah er sie wieder, die junge Frau vom Friedhof im weißen Anorak.
Drüben im Seitentrakt unter den korinthischen Säulen schritt sie auf
hochhackigen Stiefeln von Tisch zu Tisch und bot mit einem bezaubernden Lächeln
rote Rosen an. Ottakrings Blick blieb wieder an ihren feingliedrigen Händen
hängen. Neben dem Gesicht, das war seine feste Ansicht, waren es vor allem die
Hände, die einer menschlichen Gestalt ein Wesen verleihen. Er stutzte. Woher
kannte er diese Frau? Vorhin schon auf dem Friedhof war ihm ihr Gesicht
vertraut vorgekommen.
    Der Präsident war seinem Blick gefolgt, in der Rechten eine
Espressotasse. »Ich wusste gar nicht, dass Sie auf schöne Frauen stehen«, sagte
er und hob eine Augenbraue.
    »Was dachten Sie denn? Vielleicht auf Männer?«, erwiderte Ottakring.
Ihm war fast schlecht vor Gier nach etwas Rauchbarem. Wieder fasste er an die
leere Tasche.
    Zuerst erhob sich der Präsident, nach ihm der Polizeidirektor. »Was halten
Sie davon, Herr Ottakring, wenn Sie sich die Sache bis morgen überlegen?«,
sagte der Präsident. »Ich rufe Sie an. Hier ist meine Karte, falls Sie noch
Fragen haben. Wir wollen weder betteln noch Sie zu überreden versuchen. Aber
ich sage Ihnen frei heraus, dass ich mich über eine positive Entscheidung sehr
freuen würde.«
    Ottakring stellte die Frage, die ihm von Anfang an auf der Zunge
gelegen hatte: »Ab wann müsste – würde ich denn anzufangen haben?«
    Sein Gegenüber war einen halben Kopf größer als er. Er sah auf
Ottakring herab und sagte nachsichtig: »Sofort!«
    Auf der Suche nach einer Tageszeitung irrte Ottakring
durch das Labyrinth des Hotels. Dass er vorhin auf der falschen Beerdigung
gelandet war, war ihm vor sich selbst peinlich. Er wollte den Grund
herausfinden. Schließlich fand er ein Oberbayrisches Volksblatt im Musiksalon,
wo ein Mann am Flügel saß und den Raum mit wilder Musik erfüllte. Ottakring
schlug die Traueranzeigen auf. Unwillkürlich verzog sich sein Mund zu einem
schrägen Lachen. Natürlich, da stand’s schwarz auf weiß. In seiner üblichen
Hast hatte er die Anzeige in der Spalte neben der Scholl-Anzeige gelesen und so
den Ort verwechselt.
    »Was gibt’s denn da zu lachen?« Der Mann hatte zu spielen aufgehört.
Er saß hinter dem Flügel und hatte beide Hände auf dem geöffneten Deckel
ausgebreitet. Ein breites Grinsen lag auf seinem Gesicht. »Na, kennst mich
nicht mehr?«
    In Ottakrings Kopf machte es Klick. Kirchbichler! Niki Kirchbichler
aus seiner Münchener Schulzeit. Er hatte am Gymnasium sechs Jahre neben
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