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Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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von großer, weiter Welt durch die
Eingangshalle. Die Innenarchitekten hatten zwar einen dezent alpenländischen
Stil mit viel edlem Holz gewählt, doch das Haus war weit davon entfernt, etwa
zu jodeln. Alles war großzügig, hell und übersichtlich gestaltet. Üppig behängt
war nur ein Weihnachtsbaum, der so hoch war, dass er sich in einer Fabrikhalle
hätte ducken müssen. Ein riesiger Kronleuchter schwebte drohend genau über
Ottakring. Dachbalken, für die etliche Almhütten abgerissen worden waren,
wiesen zu weitläufigen Räumen mit verglasten Wänden und viel Grün. In der Ecke
der Empfangshalle fiel Ottakring ein Brunnen auf, in dem zwei Bronzedelphine
Wasser spien. In seiner Mitte thronte in Lebensgröße ein Neptun aus weißem
Alabaster mit einem Dreizack im Patinalook. Das sanfte Plätschern des Wassers
wurde vom Stimmengewirr unterdrückt.
    Ottakring wusste, dass das Hotel seit der Eröffnung im vergangenen
Sommer quasi ausgebucht war. Es schien, als hätte die Welt auf dieses neue Haus
im Rosenheimer Land nur gewartet. Die Voraussetzungen waren gut: Golfspieler in
der Hochsaison, Skifahrer im Winter, Urlauber und Kongressteilnehmer.
Erlebnishungrige fanden in Fun- und Freizeitparks ihr Vergnügen. Naturfreunde
freuten sich über spektakuläre Berge, Klammen und Höhlen. Kleine und große Schlösser,
Kirchen und Klöster warteten auf die Besichtigung. Die Möglichkeiten zum
Wandern und Radeln waren unbegrenzt, und zahlreiche Bäder versprachen Wellness
pur. Auch die VIP -Liste mit Politikern, Sängern,
Sportlern, Medien- und Filmstars war unübertroffen, wenn man von München einmal
absah.
    Ottakring strömte mit der Trauergemeinde auf das großzügige Areal,
das an den Garten grenzte und den Blick auf die Gebirgszüge des Wendelstein und
des Wilden Kaisers im Süden freigab. Die vergangenen Tage hatten ein
gigantisches weißes Tuch aus Schnee über die Berglandschaft gebreitet. Alles
verschwamm in blau schimmerndem Dunst.
    »Robert Speckbacher, Assistent der Hotelleitung«, stellte sich ihm
ein etwas dicklicher Mann mittlerer Größe von gut dreißig Jahren vor. Er trug
einen Trachtenanzug. Sein schwammiges Gesicht war nicht das eines Menschen, dem
man großen Scharfsinn zutraute. Er geleitete die drei Herren – den
Münchener Polizeipräsidenten, den Rosenheimer Polizeidirektor und
Ottakring – zu einer Lounge-Ecke. Dann verabschiedete er sich wieder
dezent mit einer linkischen Verbeugung.
    In der Weichzeichner-Atmosphäre von cremefarbenen Ledersesseln,
flachem Intarsientisch aus nordamerikanischer Kirsche und indirektem Licht
schlug der Münchener eine persönliche Note an. »Sie haben sich einen
Schnurrbart wachsen lassen?«, begann er.
    »Absolut.« Ottakring strich sich mit zwei Fingern über seinen
Oberlippenbart.
    Die zwei anderen warfen sich einen Blick zu.
    Aha, jetzt kommt’s, dachte Ottakring. Was auch immer.
    »Also …«, begann der Präsident. Die graugrüne Uniform stand ihm
gut. Er hatte ein eckiges Gesicht, einen Linksscheitel und trug eine
metallumrandete Halbbrille.
    Polizeidirektor Schuster putzte an seinen Schulterklappen herum.
Seine dunklen Züge wirkten wie gemeißelt, und in seinem Ausdruck lag die
Warnung, dass mit ihm nicht zu spaßen sei. Ottakring wusste: Obwohl er sich
meist oberflächlich von seiner besten Seite zeigte, durfte man ihn nicht
unterschätzen.
    »… wir haben ein Problem.«
    Die Polizei hat ein Problem? Gab’s so etwas? Darauf wäre er nie
gekommen.
    »Scholls Tod kam plötzlich.« Pietätvoll schlug der Präsident die
Augen nieder. In gepflegtem Münchnerisch fuhr er fort. »Lässt sich einfach auf
seinem Motorrad umnieten. Na ja, angenehmer als ein Herzinfarkt im Dienst.
Geplant war, ihn in etwa drei, vier Jahren nach München zu holen. Seinen
Nachfolger hatten wir auch schon ausgeguckt. Aber der ist momentan
unabkömmlich. Der wird noch für einige Zeit auf seiner jetzigen Dienststelle
gebraucht.«
    »Und Specht, Scholls Stellvertreter …«, fügte Schuster, der
Rosenheimer, mit klangvoller Stimme ein.
    »… ist noch nicht so weit«, ergänzte der Münchener. Seine
Brillengläser funkelten zuerst zu Schuster hin, dann zu Ottakring.
»Deswegen …«
    Der Mann hätte gar nicht weiterzureden brauchen. Ottakring war
sofort im Bild. Nein, auf keinen Fall würde er das machen. War er nicht aus
gutem Grund wegen seiner Probleme mit dem Kreuz frühpensioniert worden? Waren
diese Probleme etwa verschwunden? Ohne es zu merken, griff er sich an den
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