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Rosen für eine Leiche (German Edition)

Rosen für eine Leiche (German Edition)

Titel: Rosen für eine Leiche (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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wettmachen.
    Rosenheim, die Kreis- und Fachhochschulstadt dagegen, war die
Booming Town zwischen München und Salzburg. Konzerte, Theater,
Kunstausstellungen und ein modernes Kinozentrum waren an der Tagesordnung. Auf
den üppigen Rosenheimer Fasching konnte er verzichten, den hatte er in München
schon immer gemieden. Aber das Herbstfest, das Ende August begann, und, jetzt
im Winter, ein Besuch am Christkindlmarkt, ein Glühwein in einem der
Altstadtwirtshäuser, und das alles zu Fuß oder mit dem Radl – das konnte
ihm nur die Stadt Rosenheim mit ihren sechzigtausend Einwohnern bieten.
    Ottakring mochte auch die Wesensart ihrer Bewohner. »Wenn du dich zu
jemandem an den Tisch setzt, tut er nicht erstaunt, und wenn du dich allein in
die Ecke flackst, ist’s auch recht«, hatte er zu Lola gesagt. »Wenn du nach
München willst, setzt du dich in den Zug und fährst hin.« Lola kam neuerdings
fast ausschließlich mit der Bahn aus München. »Wennst magst, heuerst du in
einem Fitnesszentrum an und lässt die Muskeln spielen.« In Neubeuern hatte er
solche Angebote vermisst, und so war Ottakring froh, dass er sich entschieden
hatte, umzuziehen. Leicht war es ihm nicht gefallen.
    Er hatte sich ein kleines Reihenhaus gewünscht. Doch seine Pension
war spärlich, und er wollte kein finanzielles Risiko eingehen. Außerdem lag die
Rosenheimer Wohnung relativ ruhig und besaß alle Vorteile einer zentralen Lage.
Er hatte Mühe gehabt, alle Möbel in den drei Zimmern unterzubringen. Vor allem
die Erbstücke seines Onkels, der Weihbischof war, hatten Planung und Augenmaß
verlangt. Den geschnitzten Eichenschrank konnte er an der Längswand im
Wohnzimmer gegenüber der Balkontür platzieren, die deckenhohe Standuhr prangte
in der Diele.
    Ottakring schloss das Fenster zur Papinstraße. Draußen war es viel
zu kalt, selbst wenn man bedachte, dass bald Weihnachten war. Ach, Weihnachten.
Er hatte noch immer kein Geschenk für Lola. Die Zeit vor Weihnachten sollte man
abschaffen, dachte er wieder einmal, genau wie die Woche nach einem Urlaub.
    Herr Huber strich mitfühlend um seine Beine. Ottakring kraulte ihn
hinter den Schlappohren. Der achtjährige Mischlingshund sah aus wie ein Berner
Senn mit kurzem Fell. Weiße Maske, weiße Schuhe, weiße Schwanzspitze,
dunkelbraune Augen. Er hatte ihn aus dem Tierheim geholt, als er vier Jahre alt
war.
    Ottakrings Blick fiel auf die Zeitungsseite mit den Traueranzeigen,
die vor ihm lag. Er spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte.

    Sympathischer Mann gewesen, der Scholl.
    »Herrgott, ich rauch doch nicht mehr, Herr Huber«, rief Ottakring
halb belustigt, halb mit Bedauern. Herr Huber war mit einer übrig gebliebenen
Rothändle-Schachtel im Maul vor ihm aufgetaucht. Ottakring nahm sie ihm weg.
Väterlich klopfte er den knochigen Schädel.
    Musste ausgerechnet der Scholl mit dem Motorrad verunglücken? Scholl
war Leiter des Rosenheimer K1
gewesen. Er schätzte den Mann sehr. Vor drei, vier Jahren hatte er mit ihm den
Fall der beiden Toten gelöst, die in einem Ausflugskahn am Chiemsee angelandet
waren. Er war ein guter Kriminaler gewesen. Und ein guter Kriminaler hinterließ
immer eine Lücke.
    »Beisetzung Freitag, 7.12.2007, 14:30 Uhr«, las
Ottakring in der privaten Todesanzeige der Familie. 14:30
Uhr in der St. Nikolauskirche. Heute. Er wusste, das war die neugotische Kirche
am Ludwigsplatz. Vor nicht langer Zeit hatte er schon einmal in dieser Kirche
einer Trauerfeier beigewohnt. Die Dame mit dem fetten weißen Labrador, der er manchmal
beim Spazierengehen am Mangfalldamm begegnet war, war gestorben. Ottakring
hatte gefunden, es gehöre sich, so jemanden zur letzten Ruhe zu geleiten.
    Im Fall Scholl war es natürlich mehr. Den hatte er nicht nur gut
gekannt. Der wird noch gefühlt haben, wie er mit seiner Maschine gegen den Lkw
gekracht ist, der ihn in der Linkskurve erwischt hat, dachte er. Aber bevor ihm
etwas wehgetan hat, wird er schon tot gewesen sein.
    Ottakring zog sich gerade an, da fuhr ihm der Schmerz ins
Kreuz. Er langte mit beiden Händen unter den Hemdkragen, um die Verspannung zu
lösen. Erfolglos. »Hab ich’s doch gesagt«, sagte er zu Herrn Huber. »Nix klappt
an so einem Tag.« Dann schlüpfte er in den einzigen Mantel, den er besaß. Einen
kamelfarbenen. »Komm mit, Herr Huber. Wir gehen zu einer Beerdigung.«
    Im Winter sind die klaren Tage die kältesten. Als
Ottakring nach draußen trat, Herrn Huber an der Leine, wurde er von gleißendem
Sonnenlicht auf
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