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Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Titel: Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
Autoren: Harald Martenstein
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wirklich wie ein Opa wirke. Man lacht nicht gerne über einen, mit dem man Mitleid hat, sagt Carrell.
    Was war seiner Meinung nach das Besondere an ihm? Was unterschied ihn von den Dinosauriern, von Kulenkampff oder Frankenfeld? »Die Wärme«, sagt er.
    Die Älteren war auch locker und witzig, aber sie wirkten distanzierter. Carrell rückte näher heran an die deutschen Zuschauer. Er wirkte gleichzeitig sympathisch und frech, nett und respektlos, eine schwierig zu spielende Kombination. Und er  rüstete das deutsche Show-Wesen ab. Keine einschüchternde Treppe mehr, kein Ballett. Nur der Rudi mit seinen witzigen Ideen, in Nahaufnahme, der, den manche für kalt halten.
    Und was unterscheidet ihn von den Jungen, denen, die nach ihm kommen? »Wir sind die Generation, die noch auf der Bühne angefangen hat.« Nicht als Kabarettisten, nein, als Entertainer, die es gelernt haben, dem Publikum in die Augen zu schauen, diesem Raubtier. Die wissen, wie Gelächter klingt, wie Langeweile sich anhört und wie Ausgebuhtwerden sich anfühlt. Sozusagen die letzten Rampensäue. »Wer das tut, was ich tue«, hat er einmal gesagt, »der muss ein sehr großes Ego haben.«
    Entscheidend für seinen Erfolg war wahrscheinlich die Hartnäckigkeit, mit der er ihn gewollt hat. »Ich arbeite jeden Tag 14 bis 16 Stunden«, sagt er. Carrell identifiziert man nicht mit einer bestimmten Sendung, weil er immer rechtzeitig mit etwas Neuem gekommen ist. 1965 holte ihn Radio Bremen nach Deutschland, bis 74 machte er die »Rudi-Carrell-Show«, von 74 bis 79 »Am laufenden Band«, von 81 bis 87 die »Tagesshow«, ab 87 »Herzblatt«, ... eine Ära nach der anderen.
    Er hat keine Angst, weder vor dem Publikum noch vor den Kollegen. Auch dafür ist er berühmt. Wer Rudi Carrell nach seiner Meinung über einen anderen Entertainer fragt, kriegt immer eine Antwort. Wenn man sich durchliest, was er wem über die Jahre hinweg prophezeit hat – es ist schon erstaunlich. Er irrte sich verdammt selten. Carrell hat zum Beispiel den Abstieg von Wigald Boning und von Ulla Kock am Brink punktgenau vorhergesagt. Günther Jauch fand er schon früh außergewöhnlich gut. Jauch habe ebenfalls diese Wärme. Ironisch, spöttisch, das schon, aber nie verletzend.
    Rudi Carrell kennt die Spielregeln eben auswendig. Zum Beispiel: Das zweite Jahr entscheidet über den Erfolg einer Show, nicht das erste. Oder: Wenn du in den ersten drei Minuten keinen Lacher hattest, kannst du die ganze Sendung vergessen. Oder: Immer von links auftreten. Über den deutschen Humor sagt er: Die Deutschen lachen gern. Wenn du irgendwo auf der Welt lautes Gelächter hörst, dann sind es meistens Deutsche.
    Er steckt sich eine Zigarette an. Ein starker Raucher, seit 50 Jahren. Jetzt noch aufzuhören würde sich nicht mehr lohnen.
    Was hält er von Barbara Schöneberger? Carrell antwortet mit einer Bemerkung über den Busen von Barbara Schöneberger.Sinngemäß: Der Busen sei an ihr das Interessanteste. Er drückt das allerdings etwas anders aus. Sie habe einen Fernsehpreis bekommen, für eine Sendung im WDR, die 150 000 Zuschauer hatte. Das müsse man sich mal vorstellen: lumpige 150 000. Und dafür einen Preis! »Am laufenden Band« hatte 28 Millionen.
    Carrell reißt viele Zoten, auch im Gespräch hin und wieder. Gutaussehende Frauen sind bei ihm Superweiber mit Supertitten. Über Klaus Wowereit hat er vor ein paar Monaten im Fernsehen einen unterirdisch peinlichen Schwulenwitz gebracht. Dass dieses Zeug bei großen Teilen des Publikums nicht mehr so gut ankommt wie vor 30 Jahren, scheint er nicht mitzukriegen. Oder er kriegt es mit, und es ist ihm egal. Wahrscheinlich ist es das. Er hat bei einer Talkshow neben Alice Schwarzer einen BH aus seiner Tasche geholt und sich damit den Schweiß abgewischt. Er hat in »Rudis Tagesshow« Ajatollah Khomeini in einer Filmmontage mit Damenunterwäsche bewerfen lassen und damit eine außenpolitische Krise ausgelöst. Na und, würde er vielleicht sagen. War doch lustig. Dieser junge Typ Eminem redet doch auch so.
    Später, bei Kerner, sitzt er neben Barbara Schöneberger, der angeblichen neuen Super-Wunder-Mega-Moderatorin. Er wirkt gelangweilt. Sein ganzer Körper sagt: Was habe ich hier verloren, ich, der große Rudi, neben dieser Null?
    Sein Einstiegsgag geht so: »Ich mach Schluss, und ein paar hundert Meter entfernt in Berlin sitzen ein paar Leute, die könnten auch mal auf diese Idee kommen«. Er meint die Regierung. Na ja. Carrell weiß
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