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Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Titel: Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
Autoren: Harald Martenstein
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und Farmutensilien, direkt daneben liegt der Deutsche Verein. Der Verein trifft sich nur noch selten. Früher gab es regelmäßig Faustballturniere und Schlachtfeste. Eimbeck sagt, ohne konkreten Anlass: »Der Neger hält sich nicht an Versprechen. Arbeiten will der Neger nicht.« Und lauter solche Sachen. In Deutschland war Eimbeck nie. Es stört ihn aber trotzdem, dass dort so viele Türken leben.
    In einer Doktorarbeit über die Namibiadeutschen wird die These vertreten, sie seien längst ein eigenes Volk, eine Nation ohne Staat wie die Quebecfranzosen oder die Basken. Deutsche, in deren Nationalgeschichte Hitler nur am Rande vorkommt, die in der Schule nichts oder fast nichts über Auschwitz hören, die keine Mauer erlebt haben und kein 68, keine Scham, keine Selbstzweifel, gar nichts. Viele von ihnen feiern Kaisers Geburtstag. Am Krieg von 1904 waren ihrer Ansicht nach hauptsächlich die Neger schuld. Es gibt jeden Tag Kaffee und Kuchen, abends gern Leberkäse. Sushi oder Prosecco gibt es nie. Im Radio läuft, wenn Freddy fertig ist, Marschmusik. Die deutschen Geschäfte schließen pünktlich auf die Minute.
    Man könnte sagen, es sind Deutsche im geistigen Zustand des Jahres 1904. Schockgefrostet. Chemisch rein. Sie bildeneine nationale Minderheit. Ein bisschen werden sie unterdrückt oder empfinden es so. Ein bisschen sind sie Herrenmenschen. Nicht alle von ihnen, gewiss, aber man trifft doch so einige. Eigentlich finde ich Eimbeck trotzdem ganz sympathisch. Wäre ich, wenn ich hier aufgewachsen wäre, heute genauso wie er? Er ist hilfsbereit. Er hört sich um. Niemand in Gobabis kann sich an meinen Großvater erinnern, der ein junger, dynamischer Tierarzt war und den Engländern mit seiner Donnerbüchse mächtig eingeheizt hat.
    Aus der Kolonialzeit ist nur noch das alte Militärkrankenhaus übrig. Sowie auf dem Friedhof, in gepflegtem Zustand, frisch geharkt, 42  Heldengräber. Im Hererokrieg wurde Gobabis belagert. Auf einem Kreuz steht: »Uffz. Wilhelm Roesener 1888 –1982«. Der blieb also sein Leben lang Unteroffizier. Ein anderes Grabmal ist mit einer richtigen Kurzgeschichte beschriftet: »... auf verräterische Weise von einem Giftpfeil aus dem Bogen eines Buschmanns getroffen. Er konnte noch selbst seinen Angreifer mit dem Revolver erschießen.«
    Das Hotel liegt am Fluss, dort, wo er gestaut wurde. Einziger Gast ist ein dicker Handlungsreisender aus Südafrika, ein Weißer, der mit den Tankstellen am Highway ins Geschäft kommen möchte. Das Hotel schenkt keinen Alkohol aus, sagt er als Erstes, das sind hier christliche Fundamentalisten, fuck it. Die Fundamentalisten haben sogar eine eigene kleine Kirche, neben dem Pool, in der die ganze Nacht das Licht brennt. Sie bekommen die Tür nicht mehr auf, weil ein Hotelgast den Kirchenschlüssel mitgenommen hat. Durchs Fenster sieht man, dass in der Kirche ein Bett steht.
    In meinem Zimmer mache ich die Tür auf, und in einer Staubwolke fliegen Dutzende schwarzer Käfer hinein, jederso groß wie ein Daumen. Sie drehen sich sofort auf den Rücken und sterben.
    Am nächsten Tag esse ich bei »Ernie’s« ein Steak, während auf dem Highway vor mir die Viehtransporter Richtung Botsuana rollen. Das Steak ist ziemlich zäh. Für den Gegenwert von 75  Rindern bekommt man in Namibia ein Auto. 16 Hektar Land brauchst du hier in der Gegend, um ein Rind zu ernähren. Das weiß ich von Eimbeck. Mein Großvater konnte später nie damit klarkommen, dass er es mit Kleintieren zu tun hatte und nicht mehr mit Rindern. Wenn Leute mit einem kranken Dackel kamen, sagte er: »Der Köter ist nicht mehr viel wert. Den lassen sie am besten einschläfern.« Diesen Ton mochten die Hundebesitzer nicht sonderlich.
    Der Vorsitzende der Farmervereinigung, Friedrich Nauhaus, ist erst 41 Jahre alt und hat in Südafrika Germanistik studiert. Sein Farmhaus liegt weit draußen auf einem Hügel mit Bäumen, der Hügel ragt wie eine üppige grüne Insel aus der versteppten Ebene. 8000 Hektar hat die Farm, eine Fläche wie der Chiemsee. Das ist hier nicht besonders viel.
    Vielleicht werden die weißen Farmer bald enteignet. Man weiß es nicht. Die Regierung ist unberechenbar. »Die Regierung tut so, als ob hier früher Schwarze mit dem Mercedes herumgefahren wären, und dann sind wir gekommen und haben den Leuten ihren Mercedes weggenommen.« Nauhaus lacht. »Wenn das hier wirklich mal zu Ende ist, gehen wir nach Kanada oder Australien.«
    Während wir reden, reiten am Fenster die
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