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Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)

Titel: Romantische Nächte im Zoo: Betrachtungen und Geschichten aus einem komischen Land (German Edition)
Autoren: Harald Martenstein
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Arbeiter vorbei, irgendwo soll eine Herde zusammengetrieben werden. Einer reitet einen Schimmel. Sie müssten Colts tragen, dann wäre das Wildwestbild perfekt. In dem Buch über die Namibiadeutschen steht, dass Südwest im Deutschen Reich das Landder unbegrenzten Möglichkeiten war, ein Magnet für Abenteurer. In Europa waren die Abenteurer überflüssig geworden.
    In der Stadt lässt Eimbeck vor dem Museum einen rostigen Traktor von einem Lastwagen abladen, die Spende eines Farmers. Er brüllt die Arbeiter an, die dabei zusammenzucken wie unter Schlägen. Eimbeck erzählt von seiner Schwiegertochter. Sie ist mit dem Auto zu ihrer Farm unterwegs gewesen, das Fenster war einen Spalt offen, und es gab da eine Stelle, an der sie anhalten musste, irgendwas lag auf der Straße. Jemand hat einen Gewehrlauf durch den Fensterspalt gesteckt und ihr durch das Auge in den Kopf geschossen, da war sie tot, natürlich war sie das, es ist gar nicht lange her.
    Eimbeck verzieht dabei keine Miene, ganz emotionslos berichtet er. Tja, die wollten wohl an die Handtasche heran. War aber fast nichts drin, in der Tasche. Die Polizei kriegt nie einen Täter. Die Neger halten alle zusammen. Passen Sie gut auf sich auf! Übrigens: Löwen gab es hier 1914 nicht mehr. Da hat Ihnen Ihr Großvater etwas Falsches erzählt.
    Zurück in Windhuk empfängt mich die Präsidentin der Wissenschaftlichen Gesellschaft, eine nette ältere Dame, die in den Archiven und den Listen der Tierärzte nachgeschaut und bei anderen Archivaren herumtelefoniert hat, nein, sagt sie, es ist schade, aber wir finden keine Spur. Dabei sind die deutschen Kolonialarchive recht zuverlässig. Ich fahre weiter nach Swakopmund, in die Sam-Cohen-Bibliothek, das war mir als Archiv empfohlen worden. Eine andere ältere Dame geht die Passagierlisten aller deutschen Schiffe durch, die 1914 ankamen, als Tierarzt muss er da drinstehen, sagt sie, es geht gar nicht anders. Deutsche Bürokratie! Perfekt! Ist er womöglich über den Landweg gekommen? Aber warum sollte er das? Ich lese im »Südwestboten«, Jahrgang 1914, sämtlichedetailverliebten Berichte aus dem Gemeinderat von Gobabis. Nichts. Eine weitere Dame, die sich als Frau Schneeweiß vorstellt, telefoniert herum. Jemand aus der Veterinärverwaltung wird angerufen. Nichts. Er steht auch nicht in den Adressbüchern. Das müsste er aber. Dann finden wir etwas.
    Es ist ein Eintrag im Deutschen Kolonialblatt. Mein Großvater hat sich am 28. Februar 1914 Richtung Südwestafrika eingeschifft, zusammen mit einem Gerichtssekretär Nusslar und dem Regierungsbaumeister Herrmann. Das steht fest. Vermutlich in Hamburg. Der Gegeneintrag über die Ankunft fehlt. Herrmann und Nusslar kamen an, er nicht. Es sieht ganz so aus, als sei er unterwegs ausgestiegen.
    Vielleicht auf den Kanarischen Inseln. Dort machten die deutschen Passagierschiffe nach Südwest meistens Station. Er war 26 Jahre alt, ledig und, wie man so sagt, lebenslustig. Er hat vielleicht eine Frau kennengelernt, ja, das ist immer das Wahrscheinlichste. Vielleicht wollte er das nächste Schiff abwarten. Und dann das übernächste. Oder er fuhr mit ihr sonst wohin. Hatte er überhaupt einen Vertrag als Tierarzt? Plötzlich war jedenfalls Krieg.
    Dann, so denke ich, tauchte er unter. Er hat die Ausführung des Ersten Weltkrieges anderen überlassen. Kurz nach dem Krieg aber ist er plötzlich wieder da, beladen mit Andenken aus Afrika. Oder woher auch immer, Felle, Hörner, Speere, so was hätte er Gott weiß wo kaufen können. Er hat Fotos schöner Frauen dabei und tausend Geschichten von Gefechten und Löwenjagden aus der hintersten Ecke des Reiches, einer Gegend, wo fast niemand war und wo fast niemand hinfährt und wo sich wahrscheinlich niemand jemals nach ihm erkundigen würde.
    Er war einfach nur ein Geschichtenerzähler.
    Zurück zu Hause lässt mir etwas keine Ruhe. Ich gehe in die Staatsbibliothek. Und finde es sofort. Es ist eine Dissertation. »Über den quantitativen Nachweis von Alkohol in tierischen Organen«, vorgelegt an der Universität Gießen, kurz vor dem Ersten Weltkrieg. 28 Seiten, inklusive Deckblatt und Bibliographie. Die Arbeit handelt von betrunkenen Kaninchen.

Kleine Geschichte des Ausländischessens
    In den vergangenen 50 Jahren ist der durchschnittliche Deutsche dem durchschnittlichen Ausländer vor allem an zwei Orten begegnet. Entweder war der Mensch aus dem Ausland Kollege im Betrieb, oder er war Kellner im Restaurant.
    Zuerst kam der Italiener
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