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Rom kann sehr heiss sein

Titel: Rom kann sehr heiss sein
Autoren: Henning Bo tius
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inzwischen ein Anachronismus sind, ein Atavismus, ein Rückfall in prähistorische Zeiten.« Zweifellos war es ein Schotte mit Sinn für Humor. Ich bedankte mich für die Belehrung und legte auf.
    Meine Zweifel daran, dass alles mit rechten Dingen zuging, blieben dennoch. Wenigstens hatte ich von ihrem schottischen Kollegen erfahren, dass die Sprachkurse im Gebäude der Universitätsbibliothek von Bern stattfanden. Ich rief dort an und wurde nach einigem Hin und Her mit Franz Gala, dem Leiter der Bibliothek, verbunden. Er schien ein sehr netter Mann zu sein. Sein dezentes Schwyzerdütsch wirkte augenblicklich beruhigend auf mich. »Ich werde mich nach dem Kurs und nach Ihrer Kollegin erkundigen«, sagte Gala. »Wenn Sie möchten, rufe ich Sie morgen früh an. Dann weiß ich sicher mehr.«
    Ich bedankte mich. Diesmal schlief ich wenigstens bis vier Uhr morgens. Dann saß ich am Telefon und starrte es an wie ein schwarzes Monstrum aus den Weiten des Weltalls.
    Um zehn Uhr rief Franz Gala endlich an. »Ihre Kollegin hat tatsächlich Kurse in Italienisch und Französisch belegt. Sie ist auch eingetroffen. Sie war bei einem Vorgespräch mit dem italienischen Sprachlehrer. Aber seitdem hat sie niemand mehr im Hause gesehen.« Diesmal wirkte sein Akzent nicht beruhigend, sondern wie Salz, das man in eine offene Wunde reibt.
    Eine Stunde später saß ich im Zimmer meines Chefs. Ich war so außer Fassung, dass ich keinerlei diplomatische Floskeln benutzte, als ich ihm eröffnete, sofort dienstlich nach Bern fahren zu müssen. Mein Chef ist sehr empfindlich, wenn es um Kompetenzen geht. Er ist Kettenraucher, und er genießt es, seine Gesprächspartner durch längere Hustenanfälle aus dem Konzept zu bringen. Diesmal schien sein Hustenanfall kein Ende zu nehmen. Schließlich brachte er keuchend heraus: »Piet, du musst dich einfach damit abfinden, dass bei dir Damen verschwinden, und zwar immer dann, wenn du dich besonders um sie bemühst. Zuerst Christine Campbell auf den Orkneys, dann deine Mutter und jetzt deine schottische Kollegin. Du solltest als Magier arbeiten, du würdest bestimmt diesen Amerikaner in den Schatten stellen, wie heißt er noch, diesen... ich komm einfach nicht auf den Namen, er war mit einem deutschen Model zusammen... warte mal...« Er zündete sich eine Zigarette an und atmete mittels eines langen Lungenzuges tief durch. Augenblicklich verschwand sein Husten. Seine Stimme klang nun voll und klar. »Er hat den Namen irgendeiner Figur aus einem Dickensroman. Heißt er nicht Uriah Heep? Oder Oliver Twist? Ja, das ist es. Oliver oder David Twist. Ich sage dir, der lässt seine Damen nicht so elegant verschwinden wie du.«
    Ich unterbrach ihn nicht, denn ich wusste, dass dies seine Spöttereien nur verlängern würde. »Wenn Dale Mackay wenigstens Holländerin wäre, dann würde ich dich sofort fahren lassen. Aber so sind die schottischen Kollegen zuständig und natürlich die in Bern. Ich habe gehört, die Berner Kriminalpolizei soll genauso langsam wie gründlich arbeiten. Mir hat mal einer einen Witz erzählt. Es ging um Lawinenhunde aus dem Berner Oberland. Warte mal, ich glaube, die Pointe war so, dass sie das Rumfässchen, das sie um den Hals tragen, selbst austrinken und dann einschlafen. Nein, es war etwas anderes, warte mal, gleich hab ich es.« Wieder bekam er einen Hustenanfall, der nicht enden wollte.
    »Ich fahre, und wenn ich dazu kündigen muss«, sagte ich knapp.
    Schlagartig hörte er auf zu husten. Er blickte mich milde lächelnd an.»Hat dich ganz schön gepackt, was? Ist sie gut im Bett?«
    Ich hätte ihm die Zigaretten in den Rachen treiben können. Er lehnte sich zurück, hüstelte leicht und sagte: »Also gut, ich will mal davon ausgehen, dass ihr demnächst heiratet. Dann ist sie schon fast Holländerin. Hau ab, Piet, und suche sie. Ich erwarte in einer Woche deinen Bericht.«
    Ich fuhr mit dem Abendzug nach Köln, um von dort eine frühe Verbindung nach Bern zu bekommen. Es wurde eine komplizierte Reise von insgesamt fast 18 Stunden Länge. Ich musste allein in Holland dreimal umsteigen. An Schlaf war nicht zu denken. In Köln verpasste ich den Anschlusszug um wenige Minuten. Ich hatte knapp eine Stunde Zeit bis zur Abfahrt des nächsten Eurocitys und beschloss, mir den Dom anzusehen. Wie ein kühles Raumschiff wirkte er. Ich glaubte, den Andruck in den Beinen zu spüren, als wir uns zu Orgelklängen erhoben, um die Umlaufbahn zu verlassen.
    Ich habe noch nie eine Kirche erlebt, die
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