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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache
Autoren: Kirsten Riedt
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selbstverliebter Mensch.«
    Ein Roland für Bremen. Das war wirklich unübertrefflich, mehr wert als alle Statuen, die ihr Vater je für die Kirche gemacht hatte. Kein Wunder, dass er so stolz darauf gewesen war, ihn hauen zu dürfen.
    »Und was ist mit seinen Knien? Ich habe Hemeling getroffen, sie sehen ganz normal aus.«
    »Die Knie sind ein Einfall deines Vaters«, schwärmte er. »Die Statue sollte auf dem Markt stehen. Du weißt doch, wie dort versucht wird zu betrügen, oder?«
    Anna nickte. Sie hatte davon gehört, dass windige Händler mit zweierlei Maß verkauften. Einer hatte einmal zu ihrem Vater gesagt, dass er nie ohne eigenes Maß Tuch verkaufen würde.
    »Gut. Auf jeden Fall ist der Abstand zwischen den Metallspitzen von Rolands Knien haargenau eine Bremer Elle breit. So könnte jeder Bürger auf dem Markt nachprüfen, dass er nicht zu wenig für sein Geld bekommt.«
    »Mein Vater«, seufzte sie, sah einen Moment mit leuchtenden Augen in das flackernde Licht der Kerze und schluckte die aufsteigende Traurigkeit hinunter. Stets war er ein ehrlicher Mensch gewesen und hatte gepredigt, niemanden zu übervorteilen, denen zu geben, die nichts haben. Nie nahm er zu viel für eine Arbeit, und wenn er jemanden hungern sah, war für diesen immer etwas übrig gewesen.
    Claas atmete tief ein, auch seine Augen waren glasig geworden. »Erinnerst du dich, dass die früheren Roland-Figuren immer wieder dem Feuer zum Opfer gefallen sind?«
    Erneut nickte sie und fuhr mit den Fingern über die feine Maserung des Tischs.
    »Bei dem Treffen damals hatte Hemeling deinem Vater und Friedrichs diesen Auftrag angeboten, der mehr bringen sollte als der Ausbau am Rathaus, an dem die beiden zu der Zeit beschäftigt waren. Der Ratsherr hat ihnen dafür einen hohen Vorschuss angeboten, doch er verlangte ein Pfand dafür. Um was es ging, hat er anfangs verschwiegen. Friedrichs und dein Vater stritten sich, dann lehnte Friedrichs den Auftrag ab, und dein Vater, der Hemeling vertraute, nahm an. Von dem Vorschuss musste er zwar den teuren Elmstein kaufen, aber es war genug übrig, um bis über die Fertigstellung hinaus leben zu können. Danach sollte dein Vater eine weitere große Summe erhalten.« Claas schüttelte den Kopf und drehte nervös den Becher in seiner Hand.
    Ihr stockte der Atem, denn sie fürchtete angesichts seiner Reaktion, dass noch etwas Ungeheuerliches folgen würde. »Sprich bitte weiter.«
    »Er hat euer Haus als Pfand dafür gegeben, aber der Lohn wird noch viel höher sein. Glaub mir, das war es wert. Außerdem«, er stockte erneut, »muss die Figur bis zum Vierzehnten des nächsten Erntemonats fertig sein.«
    Anna stieß laut die Luft aus ihren Lungen, sie begann zu schwitzen, und sie glaubte einen Moment, der Stuhl, auf dem sie saß, würde schwanken. Es waren weniger als zehn Monate bis zum genannten Termin. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass es zu schaffen war. »Claas, das heißt ja, dass wir das Haus verlieren werden, wenn es nicht gelingt, oder?«
    Er nickte stumm und stierte auf seine Hände, die den Becher umklammert hielten.
    Sie hatte mit einigem gerechnet, aber dass ihr Heim auf dem Spiel stand, hätte sie sich nie träumen lassen. Was sollte aus ihnen werden, wenn sie es verlieren würden – oder hatten sie das bereits mit dem Tod ihres Vaters getan?
    »Wie konnte er so etwas tun«, sagte Anna leise. Doch sie wusste, dass ihr Vater sehr stolz gewesen war, diese Arbeit ausführen zu dürfen. »War so ein Pfand bei all seinen Aufträgen üblich?« Sie hatte keinerlei Ahnung von den Geschäftspraktiken der Handwerker.
    »Nein, Anna, aber die Summe, um die es geht, ist auch nicht gering. Deine Mutter und du, ihr hättet ein sorgenfreies Leben, und auch ich sollte einen ansehnlichen Teil erhalten.«
    Er stand auf, umrundete den Tisch und blieb vor ihr stehen. Überrascht drückte sie sich weiter an die Lehne des Stuhls und spürte, wie sich das Holz an ihren Rücken presste. Er stutzte einen Moment, dann trat ein wissendes Lächeln auf sein Gesicht, und er ergriff ihre Hand.
    »Ich werde diese Statue beenden, und wenn es das Letzte ist, was ich je tun werde. Das schwöre ich dir, Anna.«
    Mit allem hätte sie in diesem Moment gerechnet, aber nicht mit dieser Zuversichtsbekundung. Claas’ Hand war kräftig und warm und gab ihr das Gefühl, dass ihr nichts geschehen könnte, solange er ihre hielt.
    Trotzdem kamen ihr Zweifel, als sie auf seinen verletzten Arm sah. Er folgte ihrem Blick, und seine
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