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Rolandsrache

Rolandsrache

Titel: Rolandsrache
Autoren: Kirsten Riedt
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Züge verdüsterten sich.
    »Ich weiß, was du denkst. Aber wenn die Brüche verheilt sind, werde ich zur Not Tag und Nacht arbeiten.«
    »Das weiß ich, Claas. Aber bis dahin wird es noch ein langer Weg sein. Ich kann dir zwar helfen, das weißt du, aber ich bin nicht so ausgebildet wie ein Mann, habe Vater nur zur Hand gehen dürfen und lediglich Kleinigkeiten selbst gemacht.« Sie seufzte. »Ich bezweifle, dass ich eine große Hilfe sein werde.«
    Eine Falte entstand zwischen seinen Augen. »Wir werden es schaffen, vertrau mir, Anna.«
    Nur zu gern wollte sie ihm glauben. Aber konnte sie eine solch schwere Arbeit schaffen? Seit dem Tod ihres Vaters hatte sie allein wegen ihrer Mutter keine Träne geweint, doch nun spürte sie, dass sie sie nicht mehr lange zurückhalten konnte.
    »Mutter weiß davon?«
    »Nein, nur welche Statue es wird. Mehr hat dein Vater wohl nicht gesagt und mich zum Schweigen angehalten.«
    Das sah ihrem Vater ähnlich. Er hatte sich gern mit kleinen und großen Geheimnissen bedeckt.
    »Dann wollen wir es vorerst weiter so halten. Sie hat schon Kummer genug und würde es jetzt vermutlich nicht begreifen. Wenn es uns nicht gelingt, wird sie es noch früh genug erfahren.« Ein weiterer Gedanke drängte sich in ihren Kopf. »Claas, was geschieht mit uns, wenn wir es nicht schaffen?«
    »Aber wir werden –«
    »Claas!«, unterbrach sie ihn. Sie wollte jetzt keine weiteren Beteuerungen.
    »Dann bekommt die Stadt euer Haus und Land, oder …« Er stockte und sah an ihr vorbei.
    »Sprich weiter, bitte!«
    »… deine Mutter muss in den Schuldturm. Aber ich schwöre, dass es nicht so weit kommen wird. Vertrau mir.«
    Anna stand kurz davor, hysterisch loszulachen und ihn einen Narren zu nennen, aber sie riss sich zusammen. Es nützte nichts, jetzt selbst wahnsinnig zu werden. Im Gegenteil, sie musste seine Zuversicht teilen.
    »Dann gibt es keinen anderen Ausweg, wir müssen es einfach schaffen!«
    »So gefällst du mir.« Er streichelte zärtlich ihre Wange, dann setzte er sich wieder.
    Anna war froh, hergekommen zu sein. Hier fühlte sie sich nicht beengt wie zwischen den fremden Menschen im Haus, auch wenn sie eine gewisse Schüchternheit Claas gegenüber verspürte, die sie früher nicht gekannt hatte. Er verstand sie besser als die anderen, und seine Berührungen, wenn sie auch nur flüchtig waren, gaben ihr mehr Kraft als all die guten Worte ihrer Verwandtschaft.
    »Nun möchte ich doch etwas zu trinken.«
    Lächelnd schenkte er ihr den Becher voll, und sie nahm einen kräftigen Schluck. Bei allem, was sie gerade erfahren hatte, konnte sie sich nun vorstellen, dass ihr Vater nicht dem Überfall einiger Strauchdiebe zum Opfer gefallen war. Ein Roland aus Stein würde nicht so leicht anzuzünden sein wie einer aus Holz. Der Roland signalisierte Freiheit für die Stadt.
    »Claas, wer waren diese Männer, wer könnte euch überfallen haben?«
    Er zuckte zusammen. »Auf jeden Fall jemand, der es ernst meint und auch vor einem Mord nicht zurückschreckt.«
    »Aber wer würde so weit gehen? Vater hatte keine Feinde.«
    »Keine direkten, aber Neider gibt es immer.« Er klang verbittert, und Anna merkte, dass er ähnlich dachte wie sie.
    »Wer also kann es gewesen sein? Vielleicht Vaters Nachfolger aus der Zunft, oder jemand, der verhindern will, dass Bremen frei ist? Die Gegner des Kaisers, welche gar die Herrschaft der Kirche aufrechterhalten wollen?« Immerhin gab es genug Leute, die den Kaiser stürzen wollten. Gegen den Kaiser wurden Intrigen gesponnen, und nicht jeder war mit seinen Entscheidungen einverstanden. Manche seiner Handlungen wurden gar sabotiert.
    »Etwas gegen diese Leute zu sagen, kann gefährlich werden.«
    »Ist es das nicht schon?«
    »Du hast recht.« Grimmig goss er sich Wasser ein und trank so hastig, als wäre er am Verdursten. »Waren die Büttel schon bei euch?«
    »Nein. Hat jemand dort Bescheid gesagt?«
    Er nickte. »Wegener hat das erledigt.«
    »Das sieht den Bütteln ähnlich.« Sie hatte oft gehört, dass diese nicht sonderlich versessen auf Arbeit waren, schon gar nicht, wenn es um Morde oder Überfälle ging. Sie griffen lieber harmlose Diebe auf, die sie gegen klingende Münze wieder laufen ließen. Zumindest erzählte man das.
    »Vermutlich wärmen sie sich lieber in ihrer Amtsstube den Hintern am warmen Ofen, als hier herauszukommen.«
    Anna sah einen Augenblick aus dem kleinen Fenster. Der Regen hatte aufgehört, doch die Sonne schaffte es nicht, durch die
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