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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer
Autoren: Steven Saylor
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er zusammenzuckte. »Bist du
verrückt?« zischte sie. Mir war, als hätte ich
einen leichten Akzent ausgemacht, und ich versuchte gerade, ihn
einzuordnen, als ich ihren Magen knurren hörte.
    »Ja,
natürlich, genau«, murrte der junge Mann. Auch er sprach
mit Akzent, schwach, doch vage erkennbar östlich. Das war
eigenartig, denn nur Bürger Roms tragen die Toga.
»Nichts zu essen, danke«, sagte er.
    »Wie
schade«, sagte ich, »denn vom Frühstück heute
morgen ist noch etwas von dem wirklich guten Hefegebäck
übrig, nach ägyptischer Art mit Honig und Pfeffer
gewürzt. Meine Frau kommt nämlich aus Alexandria,
müßt ihr wissen. Ich habe selbst als junger Mann eine
Zeitlang dort gelebt - ach, das muß jetzt auch schon mehr als
dreißig Jahre her sein. Nach meiner Überzeugung sind die
Ägypter zu Recht berühmt für ihre delikaten weichen
Brote. Meine Frau sagt, es wäre ein Bäcker an der
Mündung des Nils gewesen, der das Geheimnis des Hefeteigs
entdeckt und dem großen Alexander seinen ersten Laib gewidmet
hätte, als jener die Stadt gründete.«
    Der Mund der Frau fing
an zu zucken. Sie zupfte an ihrem Umhang, um ihre Augen zu
verdecken, doch ich konnte ihren Blick so heiß auf mir
spüren wie die glühenden Kohlen auf dem Rost. Die
Züge des jungen Mannes verloren ihren lebhaften Ausdruck und
wurden wieder
maskenhaft.        
    Belbo kehrte mit einem
kleinen Klapptisch zurück, den er zwischen uns aufstellte.
Eine Dienerin folgte mit drei Bechern und zwei Krügen, einer
gefüllt mit Wasser, der andere mit Wein. Nachdem sie Wein in
die Becher gegossen hatte, zog das Mädchen sich zurück
und überließ es mir, das Wasser hinzuzugeben. »Ich
persönlich trinke ihn in der kalten Jahreszeit beinahe
pur«, sagte ich, beugte mich vor und schüttete ein paar
Tropfen Wasser in den Becher, der mir am nächsten stand.
»Und Ihr?« Ich sah den jungen Mann an. Er hob seinen
Zeigefinger und preßte seinen Daumen an das erste Gelenk.
»Ein Fingerhut voll Wasser«, übersetzte ich,
schenkte ein und sah dann seine Begleiterin an. »Und wie
möchtet Ihr es?« Sie zögerte und ahmte dann die
Geste des kleinen Mannes nach. Wieder fielen mir ihre abgebissenen
Fingernägel und die sonnengegerbte Haut ihrer Hände
auf.
    »Ihr werdet es
nicht bereuen«, sagte ich. »Dieser Wein stammt aus
meinem Privatkeller. Ich besitze noch immer einige Fässer aus
der kurzen Zeit, in der ich mich vor einigen Jahren oben in
Etrurien als Bauer versucht habe. Es war ein besonders gutes Jahr -
jedenfalls für den Wein.« Ich reichte ihnen ihre Becher.
Doch bevor ich meinen eigenen erheben konnte, stellte die Frau
ihren Becher rasch wieder hin und griff nach meinem. »Ich
habe meine Meinung geändert«, flüsterte sie heiser.
»Weniger Wasser wäre mir doch lieber. Wenn Ihr
erlaubt.«
    »Selbstverständlich.«
Ich nahm den Becher, den sie zurückgewiesen hatte, hielt ihn
an meine Lippen und gab vor, das Bouquet zu prüfen. Sie
beobachtete mich aufmerksam, während sie ihren Becher unter
ihre fleischige Nase hielt und vorsichtig daran schnupperte - ohne
auch nur vorzugeben, es zu genießen. Sie wartete darauf,
daß ich den ersten Schluck nahm, bevor sie bereit war,
dasselbe zu tun. Es war eine seltsame Szene, wie aus einer
abgedroschenen Komödie, nur daß das Publikum uns,
hätten wir auf einer echten Bühne gestanden, ausgebuht
hätte, weil wir unsere Rollen zu übertrieben
interpretierten. 
    Schließlich
führte ich meinen Becher zum Mund und trank, bevor ich mir
nach einem kurzen Zögern die Lippen ableckte, um zu zeigen,
daß ich den Wein auch wirklich heruntergeschluckt hatte. Erst
dann nippte auch meine Besucherin vorsichtig an ihrem Becher. Ihr
Begleiter, der uns beobachtet hatte, als würde er auf
Erlaubnis warten, führte den Becher an die Lippen und leerte
ihn in einem Zug. »Hervorragend!« rief er in ziemlich
hoher Tonlage. Er räusperte sich. »Hervorragend!«
wiederholte er mit tieferer, aber nach wie vor erkennbar weiblicher
Stimme.
    Eine Weile nippten wir
schweigend an unserem Wein und lauschten dem Knacken der Glut auf
dem Kohlenrost. »Ihr scheint zu schüchtern zu sein, den
Zweck Eures Besuches zu nennen«, sagte ich schließlich.
»Vielleicht könntet Ihr Euch aber kurz
vorstellen.«
    Der kleine Mann sah
die Frau an, die sich abwandte, in die Flammen starrte und ihr
Gesicht im Schatten verbarg. »Keine Namen«, sagte er
leise. »Noch nicht.«
    Ich nickte. »Wie
Ihr wollt. Welche Rolle spielen schon Namen? Sie sind
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