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Roberts Schwester

Roberts Schwester

Titel: Roberts Schwester
Autoren: Hammesfahr Petra
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tot.»
    Sie begann leise zu weinen und schüttelte ein paar Mal den Kopf dabei. Ich hatte das dringende Bedürfnis, es ihr gleichzutun. Die Frau Bongartz, hatte sie gesagt. Ich war immer nur Mia, und Isabell war für Frau Schür immer nur die junge Frau gewesen. Ich war so leer, so träge. Frau Schür fasste sich nach einigen Minuten wieder und berichtete der Reihe nach. Es war schon fast eine Woche her. Lucia war bereits in ihre Heimat überführt und dort beigesetzt worden.
    «Freitags rief ein Mann an», erzählte Frau Schür,
    «ein Herr Biller. Es war ziemlich spät. Ich hätte eigentlich schon weg sein sollen, aber ich war noch in der Küche.»
    Als ich den Namen hörte, wurde mir heiß. Frau Schür hatte den Anruf in Roberts Arbeitszimmer entgegenge- nommen. Lucia hielt sich zu dem Zeitpunkt im Wintergarten auf. Biller verlangte ausdrücklich, Robert zu sprechen, nur Robert, sonst niemanden. Frau Schür erklärte ihm, warum das nicht mehr möglich war, und bot ihm als Ersatz Frau Bongartz als Gesprächspartnerin. Biller lehnte es ab, mit Frau Bongartz zu sprechen. Mit ihr auf gar keinen Fall. Robert hatte ihn strikt angewiesen:
    «Wenn meine Schwester Ihren Anruf entgegennehmen sollte, legen Sie einfach wieder auf. Sie werden ihr keinerlei Auskunft geben. Meine Schwester ist nicht in der Verfassung, sich damit auseinander zu setzen. Da besteht die Möglichkeit einer Kurzschlusshandlung.»
    Aber das hatte Biller nicht Frau Schür mitgeteilt. Das erfuhr ich später von Wolbert. Frau Schür hatte ihm nur umständlich erklärt, dass außer Roberts Mutter, seiner Frau und seinem Schwager niemand im Haus sei. Daraufhin hatte Biller verlangt, Lucia zu sprechen. Frau Schür hatte das Arbeitszimmer verlassen, während Lucia mit Biller telefonierte. Worüber beide gesprochen hatte, wusste sie beim besten Willen nicht zu sagen. Aber sie wusste mit Sicherheit, dass Lucia gleich anschließend hinaufgegangen war. Sie hatte sie selbst noch auf der Treppe gesehen. Ob Lucia in ihr Zimmer oder in ein anderes gegangen war, darauf hatte sie nicht achten können. Isabell war zu ihr in die Küche gekommen, um den Speiseplan für die nächste Woche zu besprechen. Und dann gab es ein Poltern. Frau Schür und Isabell stürzten gleichzeitig in die Halle. Und dort lag Lucia am Fuß der Treppe, mit einem gebrochenen Bein und gebrochenem Genick. Ein Unfall, hatte die Polizei gesagt, ein tragischer Unfall, Fremdverschulden ausgeschlossen. Es war ja auch niemand da gewesen, der Lucia hätte die Treppe hinunter-stoßen können. Sie hatten gründlich nachgeschaut, zum zweiten Mal. Und laut Protokoll war Isabell bei Frau Schür in der Küche gewesen. Und Jonas hatte in der Badewanne gelegen. Isabell sagte aus, dass Lucia ihr kurz zuvor noch geholfen hatte, Jonas ins Wasser zu setzen, weil sie stets diese Schwierigkeiten mit der Hebevorrichtung hatte. Ich war körperlich immer noch so träge, aber mein Kopf war ganz klar. Es dürfte für Horst Fechner nicht schwer gewesen sein, in der Aufregung nach Lucias angeblichem Sturz ungesehen von Frau Schür zu verschwinden. Lucias Genick war nicht an einer Treppenstufe gebrochen, darauf hätten sie sich doch nicht verlassen können. Ich führte Frau Schür zum Tisch, drückte sie dort auf einen Stuhl nieder und klopfte ihr noch einmal auf die Schulter. Dann ging ich in den Keller. Diesmal zog ich keinen Handschuh über, wozu auch noch. Zwei Hausdurchsuchungen, aber sie hatten nach einem Mann gesucht, nicht nach einem Colt, und ich kannte mein Haus. Ich wusste, wohin ich etwas legen musste, das außer mir niemand finden sollte. In der Halle stand ich noch sekundenlang am Fuß der Treppe, arme Lucia, ehe ich hinaufging, über die Galerie zu der Tür am Ende. Eingeschlossen hatten sie sich nicht. Ob sie dachten, man hätte mich als
    «geheilt»
    entlassen? Isabell saß zusammen mit Jonas am Tisch, als ich eintrat. Sie sprang sofort auf, stellte sich hinter den Rollstuhl und umklammerte die Rückenlehne mit beiden Händen. Ich deutete mit dem Colt in die Zimmerecke, aber sie rührte sich nicht vom Fleck. Blass war sie geworden, sehr blass, starrte mich an, als sehe sie ein Gespenst vor sich. Ihre Lippen bewegten sich, doch es war kein Laut zu hören. Auch Jonas bewegte die Lippen, zog sie zu einem Grinsen auseinander. Mir war ein wenig schwindlig, immer noch die Folge dieser verfluchten Medikamente. Es war ein Gefühl, als ob das Zimmer zu schwanken begann. Ich musste kurz einmal das Auge schließen, es
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