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Roberts Schwester

Roberts Schwester

Titel: Roberts Schwester
Autoren: Hammesfahr Petra
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hinzog, kann ich nur vermuten. Mit was sie mich voll gepumpt hatten, weiß ich nicht, aber der Stoff reichte noch für eine Weile. Zwei, drei Tage vielleicht, dann war ich so klar bei Bewusstsein, dass ich Gesichter erkannte. Fremde Gesichter, Ärzte, Schwestern, junge und alte, eilige und desinteressierte, denen es nur darauf ankam, dass ich meinen Teller Suppe leerte, dass ich die Pillen und Säfte schluckte, die sie mir kommentarlos servierten, zu denen es keine Auskünfte gab. Am vierten oder fünften Tag kam Piel. Er gab sich jovial wie in alten Zeiten. Wie geht es, Mia? Wie fühlen Sie sich? Und immer so weiter. Ich gab ihm keine Antwort, ich fragte ihn nur, wann Wolbert denn käme. Er hätte doch gesagt, er wolle morgen kommen, und morgen müsse längst vorbei sein. Piel wusste nichts von Wolbert, und hinter meiner Bemerkung vermutete er wieder irgendeinen Wahnsinn. Er bestand darauf, dass ich mit ihm sprach, sonst könne er meine Entlassung nicht befürworten. Ich sagte ihm, er könne mich kreuzweise. Danach verabschiedete er sich. Und am nächsten Tag kam Wolbert endlich. Ich war immer noch müde, richtig benommen von all dem Zeug, das sie mir einflößten. Aber Wolbert behauptete, ich sähe sehr gut aus.
    «Wieder ein bisschen Speck auf die Rippen bekommen», scherzte er. Er behauptete auch, diese Pillen und Säfte seien nichts weiter als Aufbaupräparate. Ich wäre bei meiner Einlieferung in einem besorgniserregenden Zustand gewesen, klapperdürr, nur noch knappe vierzig Kilo schwer und kaum noch in der Lage, auf eigenen Beinen zu stehen. Dann kam er endlich zur Sache. Mit Serge hatte er bereits vor Tagen gesprochen, vor fast einer Woche, um genau zu sein. Aber alles hatte Serge ja nicht gewusst, hatte im Prinzip nur den nicht getätigten Biller-Anruf bestätigen können und bei der Gelegenheit auch erklärt, wer Biller war. Ob ich mir das Band noch einmal anhören möchte, fragte Wolbert. Ich schüttelte den Kopf, es kam mir überflüssig vor. Wir drehten uns doch wieder nur im Kreis. Am Ende hatte Biller selbst angerufen.
    «Nein, das hat er nicht», sagte Wolbert.
    «Woher wissen Sie das so genau?», fragte ich. Er lächelte. Es war im Grunde ganz einfach. Und wenn ich nicht gar so sehr damit beschäftigt gewesen wäre, Serge für einen ausgemachten Idioten zu halten, der sich nicht an den vorgegebenen Text und die Spielregeln hielt, wäre es mir vielleicht aufgefallen. Es war das Rauschen auf dem Tonband. Es war keine Dusche, es war auch kein Regen. Es war Verkehrslärm, gleichmäßig fließender Verkehr wie auf einer Autobahn. Vermutlich stammte der Lärm auch dorther. Nur hatte der vermeintliche Biller in der Nacht angerufen. Und nachts um zwei war der Verkehr auf einer Autobahn nur selten so dicht, dass er ein gleichmäßiges Rauschen erzeugte. Und an große Zufälle glaubte Wolbert ja nicht. Aber er glaubte an Tonbänder, die man im Hintergrund abspielen ließ, während man telefonierte, vielleicht sogar aus Roberts Schlafzimmer. Zwei Hauptanschlüsse im Haus. Und es war auch für einen Mann im Rollstuhl kein Problem, von einem Raum in den nächsten zu kommen, wenn keine Treppe dazwischen lag. In dem nächtlichen Anrufer jedenfalls vermutete Wolbert Jonas. Er war doch nicht so ein Stümper, dieser Polizist, wie ich immer gedacht hatte. Ich schaute zum Fenster hin, zum ersten Mal, seit ich in diesem Zimmer lag, ganz bewusst. Und ich wunderte mich ein bisschen, es waren keine Gitter draußen. Wolbert war meinem Blick gefolgt und lächelte erneut.
    «Keine Psychiatrie», sagte er,
    «keine geschlossene Abteilung. Eine ganz normale Krankenstation, Frau Bongartz. Ich glaube, sie nennen das hier die Innere. Ich wollte Sie doch nicht aus dem Verkehr ziehen. Wer immer sich gegen Sie verschworen hat, ich gehöre nicht zu den Verschwörern.»
    Jetzt grinste er breit.
    «Vergessen Sie es», sagte ich. Er nickte kurz und fragte:
    «Können wir dann anfangen?»
    Er sprach auch gleich weiter:
    «Es ist zwei Uhr in der Nacht, Ihr Bruder holt Sie aus dem ‹Cesanne› ab.»
    Und noch einmal alles von vorne. Es tat so entsetzlich weh, nicht im Kopf, nur in der Brust. Wolbert machte sich eifrig Notizen. Irgendwo in der Mitte fragte ich ihn, wo er denn heute den Buttermilchknaben gelassen hätte. Es interessierte mich gar nicht, ich wollte nur für zwei Sekunden an etwas anderes denken dürfen als an Robert. Wolbert amüsierte sich über die Bezeichnung, fand sie aber passend.
    «Ich hatte so das Gefühl, mein
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