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Roberts Schwester

Roberts Schwester

Titel: Roberts Schwester
Autoren: Hammesfahr Petra
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fest zusammenkneifen, um die Watte aus dem Hirn zu pressen Ich hörte ein Geräusch in dem Moment, irgendein Rascheln, und als ich das Auge wieder öffnete, stand Jonas vor mir. Ich bin völlig sicher, dass er vor mir stand. Ich habe mir das nicht eingebildet. Ich war so erschrocken in dem Moment und ging automatisch einen Schritt zurück auf die Tür zu. Und Jonas kam einen Schritt nach vorne. Er hatte die Hand bereits ausgestreckt und wollte mir den Colt wegnehmen. Es ging sehr schnell. Ich drückte zweimal kurz hintereinander ab, es war mehr ein Reflex als Absicht. Ich konnte es nicht einmal genießen, dafür war keine Zeit. Er zuckte zusammen, aber er kam noch einen Schritt weiter auf mich zu. Und Isabell schrie, anfangs nur:
    «Nein, nein, nein!»
    Sie übertönte damit sogar den dritten Schuss. Dann gab sie dem Rollstuhl einen Stoß und brach in die Knie. Sie trommelte mit den Fäusten auf den Boden und schrie weiter.
    «Nein. Ich hab dir gesagt, wir müssen hier weg. Ich hab dir gesagt, sie bringt uns alle um. Ich hab es dir gesagt.»
    Sie machte mich völlig konfus mit ihrem Gebrüll. Jonas stand immer noch aufrecht. Vielleicht dreißig Zentimeter von mir entfernt, so nahe jedenfalls, dass seine Fingerspitzen fast meine Hand berührten. Aber er grinste nicht mehr, in seinen Augen war etwas wie Ungläubigkeit. Er zog die ausgestreckte Hand zurück und presste sie sich gegen die Brust. Da waren drei kleine Flecken, die rasch größer wurden, rote Flecken, Blutflecken. Mit der anderen Hand tastete er herum, als suche er noch nach einem Halt. Dann sackte er ganz langsam nach hinten und fiel zurück in den Rollstuhl. Und Isabell schrie immer noch:
    «Nein!»
    Aber ich hatte nicht mehr das Bedürfnis, auf sie zu schießen.
    «So ist das», sagte ich nur. Dann ging ich wieder hinunter in die Halle. Frau Schür stand vor dem Telefon, weinend, stammelnd, fassungslos den Kopf schüttelnd. Ich klopfte ihr im Vorbeigehen noch einmal auf die Schulter.
    «Es ist vorbei», sagte ich. Dann ging ich in Roberts Arbeitszimmer und setzte mich an seinen Schreibtisch. Dort saß ich noch, als ein Streifenwagen vorfuhr. Das Haus füllte sich rasch. Zuerst die beiden Uniformierten, von denen mir einer den Colt aus den Fingern nahm und neben mir stehen blieb, während der andere zuerst hinaufging und dann hinaus zu ihrem Wagen. Dann kamen weitere Polizisten, darunter auch Wolbert und sein Lehrling. Dann kam ein Notarzt, der sich jedoch nur noch um Isabell kümmern musste. Es kamen auch ein paar Sanitäter, die aber unverrichteter Dinge wieder abzogen. Und Piel, zu guter Letzt tauchte auch er noch auf, irgendein Schwachkopf hatte ihn alarmiert, und er stritt sich mit Wolbert herum. Weil Wolbert meine Entlassung aus der Klinik betrieben hatte, weil Wolbert kein Fachmann war, nur ein blinder Idiot. Piel sagte tatsächlich ein blinder Idiot, taub für alle Warnungen. Er hätte ihn doch gewarnt und auf die Konstellationen im Haus hingewiesen. Mehrfach hätte er ihm ausführlich erklärt, man müsse mir Lucias Unfall auf jeden Fall noch in der Klinik mitteilen und mich anschließend einige Tage unter Beobachtung halten. Auf Frau Schür könne man sich nicht verlassen. Isabell und Jonas Torhöven sollten zu ihrer Sicherheit in einem Hotel untergebracht werden und so weiter. Piel wollte mir eine Spritze geben. Wolbert verhinderte das. Er zeigte mir stattdessen einen Haftbefehl. Er schien direkt traurig zu sein, meinte, ich hätte mich völlig umsonst schuldig gemacht. Etwa zu dem Zeitpunkt, als ich hinunter in den Keller gegangen war, hatte er einem Haftrichter gegenübergeses-sen, der nach Prüfung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einen Haftbefehl ausschrieb. Nur deshalb war er so rasch eingetroffen, weil er ohnehin auf dem Weg hierher gewesen war, um eine Verhaftung vorzunehmen. Als ich die Namen auf dem Stück Papier las, musste ich lachen. Ich konnte auch so rasch nicht wieder aufhören damit. Ich hatte Recht gehabt, in all den Monaten, nicht in jedem Punkt, aber von der ersten Minute an. Nur war ich bei allem Misstrauen und allen Vermutungen so blind gewesen, wie es blinder gar nicht ging. Was Wolbert mir da präsentierte, war ein Haftbefehl gegen Horst Fechner wegen Mordes an Jonas Torhöven. Für den Mord an Robert, erklärte Wolbert mir später, als ich aufhören konnte zu lachen, müsse man sich mit Indizien begnügen. Und der Mord an Lucia könne wohl nicht aufgeklärt werden. Es sei denn, Isabell lege ein Geständnis ab.
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