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Roberts Schwester

Roberts Schwester

Titel: Roberts Schwester
Autoren: Hammesfahr Petra
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gehört, als Isabell unterwegs war, um Lucia vom Flughafen abzuholen. Als ich im Keller saß, auf den Abdeckplanen für die Rosen, mit dem kleinen Colt in der Hand. Es war nicht mein Weinen und keine Einbildung, es war Fechner gewesen. Er wollte nachsehen, was ich tat und ob ich ihnen eventuell gefährlich wurde. Niemand tat etwas. Sie standen um mich herum und gafften mich an. Piel wurde schon ungeduldig, schielte mit einem Auge auf seine Armbanduhr, hielt mit einer Hand meinen Arm, die Fingerspitzen auf den Puls gepresst.
    «Es ist gleich vorbei, Mia.»
    Es ist nie vorbei, du Hornochse, dachte ich. Du solltest dir dein Lehrgeld zurückgeben lassen. Und du da auch. Wolberts Gesicht zerfloss irgendwie, es wurde ganz breit, lief auseinander wie Kuchenteig. Und dann war es fort, alles war dunkel. Es waren Schritte in der Dunkelheit, viele Schritte, und Stimmen. Die Stimmen von Isabell und Jonas, von Fechner und Robert. Robert saß in seinem Wagen und wartete. Und Fechner kam von der Seite und schoss gleich. Dann fuhr er weg, fuhr zu seinem Liebchen, um eine ganze Woche zu feiern mit dem, was ich getrunken hatte. Fruchtsaft und Wasser und Multivitaminkapseln! Sie stachen mir in den Arm, wieder und immer wieder. Ich schwamm unter Wasser. Es war so schwer mit einem Arm, und ich war nie eine gute Schwimmerin gewesen. Isabell saß auf dem Rand, strampelte mit den Beinen und amüsierte sich. Und immer wenn ich dachte, dass ich es jetzt endlich zur Oberfläche hinauf schaffte und Luft holen könnte, kam ein neuer Stich und es ging wieder hinunter. Ein Tag, zwei Tage, drei Tage. Robert wurde begraben, und ich war nicht dabei. Ich konnte mich nicht von ihm verabschieden, konnte noch nicht einmal um ihn weinen. Kaltgestellt, ausgetrickst. Isabell hatte mich, wo sie mich brauchte. Die Ratte hatte gewonnen und konnte sich in Ruhe darauf vorbereiten, ihr Balg in die Welt zu setzen. Irgendwann kamen andere Stimmen in die Dunkelheit. Einmal hörte ich Piel, wie er mit einem Unbekannten sprach, vermutlich mit Fechner. Sehen konnte ich sie nicht, es war ja stockfinster. Sie wagten es nicht mehr, mir ihre Gesichter zu zeigen. Sie hatten Angst, dass ich sie erkannte und zur Rechenschaft zog. Auf ewig konnten sie mich schließlich nicht festhalten, das war Freiheitsberau-bung. Und auch wenn sie ihre Gesichter vor mir verbargen, ich kannte sie alle, diese kleinen, nichtigen, unfähigen Stümper und Querulanten, diese habgierigen Ungeheuer. Einmal hörte ich die Stimme von Wolbert. Auch er war nicht allein. Es war einer bei ihm, der ihm erklärte, ich könne nicht hören, was er mir sagte. Stümper allesamt, verließen sich auf ihre Beipackzettel, hatten keine Ahnung, dass man sich die in jeder Druckerei besorgen konnte. Multivitaminpräparate waren sehr gut gegen Kopfschmerzen. Robert hatte doch nur verhindern wollen, dass ich erneut süchtig wurde. Mein armer Robert, mein Liebster. Ich wollte nicht mit ihm schlafen, wirklich nicht. Ich wollte nur, dass er glücklich wurde. Und manchmal dachte ich, ich hätte ihn vielleicht glücklich machen können. Serge hatte einmal zu mir gesagt, ich sei gut, wirklich gut, erstklassig, phantastisch im Bett. Wenn ich nur nicht immer so wütend wäre, müsse ich niemanden bezahlen. Ich hätte Robert bestimmt sehr glücklich machen können. Aber es wären immer nur ein paar Minuten gewesen. Und er war doch mein Bruder. Er war so sensibel, er hätte das nicht verkraftet. Wolbert ließ sich nicht abfertigen, er glaubte auch nicht so unbesehen, was man ihm sagte.
    «Frau Bongartz?», hörte ich ihn fragen. Es klang ein wenig besorgt. Er wiederholte es mehrfach:
    «Frau Bongartz? Wenn Sie mich verstehen können, dann blinzeln Sie oder zucken Sie mit den Fingern.»
    Ich hätte ihm den Gefallen ohne weiteres tun können. Aber ich sah nicht ein, warum ich mich abmühen sollte. Meine Finger waren steif und die Augenlider viel zu schwer.
    «Es hat keinen Sinn», sagte jemand. Und Wolbert antwortete:
    «Dann sorgen Sie gefälligst dafür, dass es einen Sinn bekommt. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Es wird ja wohl andere Möglichkeiten geben, einen Menschen zu beruhigen. Ich komme morgen wieder. Wenn Frau Bongartz dann immer noch nicht ansprechbar ist, ziehe ich Sie zur Verantwortung. Arzt oder nicht Arzt, das interessiert mich nicht, Sie behindern die Ermittlungen in einem Mordfall.»
    Es war wie Musik unter Wasser. Es war traumhaft, und es kamen keine Einstiche mehr. Wie lange sich mein Auftauchen noch
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