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Roberts Schwester

Roberts Schwester

Titel: Roberts Schwester
Autoren: Hammesfahr Petra
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Kollege ist Ihnen ein Dorn im Auge», sagte er. Und weiter mit Roberts Wagen, mit diesem hirnrissigen Abschiedsbrief, mit der Heimfahrt, mit dem Tuckern unter der Motorhaube des Renault, mit dem Mann am Fenster. War da wirklich jemand gewesen? Ja, mit geschlossenem Auge sah ich es ganz deutlich. Es war keine Wahnvorstellung und nicht das Wunschdenken einer Irren. In Jonas’ Zimmer stand ein sehr großer, sehr kompakter Mann am Fenster. Sogar Wolbert räumte ein:
    «Möglich, dass Sie tatsächlich Horst Fechner gesehen haben. Ich will auch nicht ausschließen, dass er sich danach noch für einige Zeit in Ihrem Haus aufgehalten hat. Aber jetzt ist er nicht mehr da.»

    «Sind Sie ganz sicher?»

    «Absolut sicher, Frau Bongartz.»

    «Und was macht Sie so sicher?», fragte ich. Er erklärte es mir. Sie hatten das Haus durchsucht, zweimal seit meiner Einlieferung in die Klinik, vom Keller bis zum Dachboden, jeden Raum und jeden Winkel. Das erste Mal waren sie angerückt, gleich nachdem sie mich in einen Krankenwagen verladen hatten. Für so verrückt hatte Wolbert mich dann anscheinend doch nicht gehalten, vielleicht hatte er auch nur auf Nummer Sicher gehen wollen. Warum sie noch ein zweites Mal nach Horst Fechner gesucht hatten, erklärte er mir nicht. Er wollte stattdessen wissen, ob ich mit Lucia über meinen Verdacht gesprochen hatte, dass Fechner sich im Haus versteckt hielt. Ich schüttelte den Kopf. Dass ich Lucia einen anderen Verdacht geschildert hatte, mochte ich ihm nicht sagen. Es kam mir im Nachhinein auch ein wenig absurd vor, dass Isabell mit ihrem eigenen Bruder geschlafen haben sollte. Auf Jonas hatte sie kaum zurückgreifen müssen, wenn Fechner sich in ihrer Nähe aufgehalten hatte. Und es mochte sich auch vor Roberts Tod Gelegenheit geboten haben, ihren Liebhaber ins Haus zu lassen. Wolbert sah das ebenso. Bevor er sich verabschiedete, sprach er noch etwas aus, das ihm anscheinend seit geraumer Zeit auf dem Herzen lag. Er entschuldigte sich sogar. Sie hatten mich nie im Verdacht gehabt. Sie hatten nur gewusst, dass ich ihnen eine Menge verschwieg. Und da hatten sie mich eben ein wenig härter angefasst.
    «Vergessen Sie es», sagte ich noch einmal. Zwei Tage später wurde ich aus der Klinik entlassen, fünf Pfund schwerer, aber immer noch ein bisschen wacklig auf den Beinen. Isabell war daheim, Jonas natürlich auch. Wolbert hatte es mir erklärt. Es musste so sein. Noch hatten sie gegen Isabell nicht viel in der Hand, gegen Jonas praktisch gar nichts. Zuerst einmal mussten sie Fechner finden. Und bis dahin sollte ich mich verhalten wie gewohnt.
    «Trauen Sie sich das zu?», hatte Wolbert mich gefragt. Und ich hatte genickt. Lucia war nicht mehr da, als ich heimkam. Zuerst vermisste ich sie gar nicht. Sie war ja auch normalerweise nicht da. Dann dachte ich, sie sei nach Roberts Beerdigung abgereist. Mein Wagen stand wieder in der Garage. Von Frau Schür erfuhr ich, dass Olaf sich um die Reparatur gekümmert hatte. Ich benutzte ihn sofort, um zum Friedhof zu fahren. Dort blieb ich ungefähr eine Stunde. Ich spürte gar nicht, wie die Zeit verging. Roberts Name auf dem Grabstein war ein Stück Ewigkeit, und dort hat Zeit keine Bedeutung mehr. Dort hat nichts eine Bedeutung. Dann fuhr ich zurück und saß eine Weile im Atelier. Es war so still im Haus, kein Laut von oben. Sie konnten sich nicht mehr allzu wohl fühlen in ihrer Haut, zweimal eine Hausdurchsuchung. Das musste ihnen zu denken gegeben haben. Aber sie konnten auch nicht so einfach hier weg. Sie konnten nicht untertauchen wie Fechner. Ein Mann im Rollstuhl! Jetzt war er, wie Piel einmal gesagt hatte, mein Gefangener. Frau Schür kam einmal zu mir und erkundigte sich mit verweinten Augen, wie es mir ging.
    «Gut», sagte ich,
    «es geht mir so weit gut. Ein bisschen müde bin ich. Das sind noch Nachwirkungen der Medikamente, das wird vergehen.»
    Frau Schür nickte mechanisch, stand noch einen Augenblick lang bei der Tür, dann ging sie wieder. Am Spätnachmittag ging ich zu ihr in die Küche. Ich bat sie um einen starken Kaffee. Und als ich gleich wieder zurück ins Atelier wollte, hielt sie mich am Arm fest. Sie legte den Finger an die Lippen und schloss die Küchentür. Dann zog sie mich auch noch in eine Ecke, brachte ihr Gesicht nahe an das meine heran.
    «Hat man es Ihnen wirklich nicht gesagt?», flüsterte sie.
    «Mir haben sie es verboten. Aber das kann man doch nicht verschweigen. So ein furchtbares Unglück. Die Frau Bongartz ist
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