Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Road of no Return

Road of no Return

Titel: Road of no Return
Autoren: Gillian Philip
Vom Netzwerk:
sie umkippte und rücklings ins Wasser fiel.
    Ich sah sie an und sie blickte ernst zurück. Das glitzernde, gekräuselte Wasser bildete einen hübschen Rahmen für ihr Gesicht und floss ihr langsam über die Wangen, die Stirn und das Kinn. Sie wirkte etwas erstaunt, aber nicht beängstigt. Ich fragte mich, ob ich sie so liegen lassen sollte und was wohl passieren würde.
    Mir war klar, dass ich das schneller herausfinden würde, wenn ich ihr die Hand aufs Gesicht legte und sie sanft hinunterdrücken würde. Also tat ich genau das: Ich drückte ihr mit dem Zeigefinger auf die Nase und sah zu.
    Als ich meine Meinung änderte, lief ihr schon das Wasser in die Nase. Ich griff nach ihrem Handgelenk und zog sie wieder zum Sitzen hoch. Sie nieste Wasser aus, wackelte, fand dann ihr Gleichgewicht wieder und lächelte mich an. Es war ein ganz direktes, strahlendes Lächeln, nur zwischen uns. Ich sonnte mich darin und lächelte zurück. Zum ersten Mal verspürte ich so etwas wie Zuneigung zu ihr.
    Plötzlich wurde sie von mir fortgerissen. Als ich in die Sonne blinzelte, sah ich, wie Dad Allie schwankend und außer Atem an sich presste und mich anstarrte. Da wusste ich, dass er mich vom Haus aus gesehen haben musste.
    Zumindest hatte er gesehen, wie ich sie geschubst hatte. Dann war er angelaufen gekommen, aber er hatte nicht gesehen, dass ich sie gerettet hatte. Was glaubte er denn, wer sie
wieder hingesetzt hatte? Die Planschbeckenfeen? Wer hatte sie denn wohl gerettet, wenn nicht ich? Also ehrlich!
    »Mach das ja nie wieder!«, schrie er mich an. »Nie, nie, nie wieder!«
    Ich glaube ja, dass er eigentlich mit sich selbst sprach.
    Ich habe es nie wieder getan. Er schon. Es war nicht das letzte Mal, dass er sie allein ließ, nur für einen Augenblick, um sich etwas aus dem Kühlschrank zu holen. Es war nicht so, dass er Mr Carlsberg mehr liebte als Allie, natürlich nicht. Aber er muss die Möglichkeiten jedes Mal abgewogen und gemeint haben, dass er einen Augenblick Zeit hatte.
    Also musste ich gelegentlich verhindern, dass sie in einen Aktenschrank kletterte, ihren Finger in eine Steckdose steckte oder eine Pfanne vom Herd zog. Mum war immer beschäftigt, sie schrieb oder sendete, und sie wusste ja, dass Dad auf uns beide aufpasste. Außerdem liebte ich diesen außerirdischen Wechselbalg mittlerweile mit geradezu brutaler Hingabe. Es gibt ein Foto von mir im Alter von fünf Jahren, auf dem ich die kleine Allie in den Armen halte und böse in die Kamera sehe, denn sie gehörte mir . Unter zusammengezogenen Augenbrauen blicken meine Augen zornig hervor: Selbst in diesem Alter konnte ich schon ziemlich bedrohlich wirken.
    Als Nan Lola bei uns einzog, hatte Mum erst Angst, dass ich mich aufregen würde. Sie hätte nicht weiter daneben liegen können: Ich weinte vor Erleichterung. Ich hatte schon Angst gehabt, dass ich zur Schule gehen müsste und dann wäre Allie allein auf Dad angewiesen gewesen. Nan Lola verstand das und sie kannte Dad, daher passte sie um meinetwillen
auf Allie auf wie eine Adlermutter. Sie liebte Allie natürlich, aber sie passte eigentlich für mich auf sie auf. Um mich glücklich zu machen und um mir das Gefühl zu geben, dass alles in Ordnung war. Ich war Nan Lolas einzige große Liebe, und ich wusste, dass sich das niemals ändern würde.
    Aber niemand ist für immer da. Die wichtigste Tatsache im Leben lautet daher: Man muss auf sich selbst aufpassen.

Heute

1
    Ich kannte die Stimme im Radio. Warm und weich und mitfühlend. Mitfühlende Worte der Weisheit, die einen durch den Tag begleiteten. So nannte sich die Sendung: Worte der Weisheit .
    Unglücklicherweise handelte es sich nicht um einen Albtraum. Das war mir klar, denn ich war gerade aus einem aufgewacht und wünschte mir nun nichts sehnlicher, als wieder dorthin zurückkehren zu können. Ich drehte mich auf den Bauch, zog mir die Bettdecke über den Kopf und presste sie mir auf die Ohren. Die Stimme war immer noch als leises Murmeln zu hören, daher summte ich, bis ich glaubte, dass sie fertig war.
    Ich tauchte gerade auf, als sie fröhlich verkündete: »Auf Wiederhören und einen schönen Tag noch!«
    Einen schönen Tag? Meinen hatte sie gerade ruiniert. Hätte sie nicht gestern bei mir aufgeräumt und an meinem Radio herumgespielt, dann hätte ich in seliger Unwissenheit verharren können, bis ich durch die Tore der Schule schritt. Aber vielleicht war eine Stunde Vorwarnung ja auch gar nicht so schlecht. Ich riss die Bettdecke fort, stellte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher