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Road of no Return

Road of no Return

Titel: Road of no Return
Autoren: Gillian Philip
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Doppelstunde Biologie hinter mir, bevor mir das klar wurde.
    Allies Unterricht in Naturwissenschaften verlief parallel zu meinem, daher hielt ich wie immer nach ihr Ausschau, als die Leute zur Mittagspause auf die Gänge strömten. Ich wich den gefährlichen Plätzen aus und vermied es, Augenkontakt mit den Dealern mit dem Babyface aufzunehmen – die werden mit jedem Jahr jünger, könnte ich schwören –, trieb mich im Gang herum, in dem es nach Schweiß und Bodenpolitur roch, und köchelte in der Sonne vor mich hin, die durch die Glasfront fiel. Irgendjemand hätte diesen Architekten erschießen sollen, und ich wünschte mir, das hätte ich sein können. Meine Achselhöhlen waren feucht, und meine Laune sank rapide, während sich mein Gesicht verfinsterte. Aus Allies Klasse liefen alle an mir vorbei, wobei die meisten einen großen Bogen um mich machten, doch Allie war nicht dabei.

    Allie, dachte ich, ich bringe dich um, wenn du …
    Plötzlich entdeckte ich Orla Mahon mit ihrem üblichen Gefolge hinter einer halb verkümmerten Topfpflanze.
    Ich richtete meinen Blick auf einen Punkt in mittlerer Entfernung, doch unwillkürlich wanderte er immer wieder nach links. Orla, Orla, Orla. Wunderschöne, vollbusige Orla, eine Figur, um darin zu versinken, wie geschaffen für eine langsame, lustvolle Reise. Ihr glattes dunkles Haar fiel über eines ihrer bemalten Augen. Die äußerste Strähne war in einem unmöglichen Platinblond gefärbt. Ich fragte mich, ob es wehgetan hatte, als sie sich den Nasenring hatte schießen lassen und ob ich das als Eröffnungssatz für ein Gespräch verwenden sollte. Ich wollte ihren glänzenden Schmollmund essen, ich wollte sie essen.
    Sie spürte meinen Blick und sah auf, verächtlich. Sie sagte kein Wort, doch wie durch eine Art von Osmose bemerkte auch ihr Gefolge, dass ich da war, und wandte sich nach mir um.
    »Ich suche Allie«, erklärte ich unwillig.
    Orla sah erst das Mädchen zu ihrer Linken an, dann das zur Rechten, dann blickte sie mich an und kräuselte die Oberlippe. Ihre Kiefer wälzten ihren Kaugummi.
    »Hss«, machte sie und legte alle Langeweile und Apathie der Welt in diese eine Silbe. »Hast du ein paar Worte der Weisheit für uns, Nicholas?«
    »Verpiss dich«, riet ich ihr. Allerdings sagte ich nicht »verpissen« und was ich tatsächlich sagte, meinte ich nicht so.
    Eines der Gefolgsmädchen kicherte. Ich sah sie wütend an und sie verstummte. Aber da ich Orlas Blick noch spürte,
wandte ich mich wieder an sie. »Hast du meine Schwester gesehen oder nicht?«
    Ich bat sie nur um Hilfe, weil ich verzweifelt war. Eigentlich stimmt das nicht ganz: Ich fragte sie, weil ich weiter mit ihr sprechen wollte, selbst unter diesen Umständen. Doch sie sagte kein Wort mehr. Ihre zinnfarbenen, von hässlichem schwarzem Eyeliner umrahmten Augen blitzten. Mein Gott, war sie furchterregend.
    Mein Gott, war sie schön.
    Unter den erbarmungslos feindseligen Blicken der fünf Mädchen sah ich weg und zerrte an meinem Kragen. Dann ließ ich die Hand wieder fallen, wütend auf mich selbst. Wahrscheinlich war ich deshalb so aufgebracht, als Shuggie aus dem Chemielabor kam, ohne Allie im Schlepptau. Ich stapfte auf ihn zu und packte ihn am Kragen, woraufhin er mich nervös durch seine dicke Streberbrille ansah. Ich schoss ihm meinen furchteinflößendsten Blick zu.
    »Sieh mich nicht so an«, verlangte er. »Wenn du nicht auf sie aufpassen kannst, wie soll ich das dann?«
    Seufzend ließ ich ihn los. »Sie war also nicht im Unterricht? «
    Als Antwort verdrehte Shuggie nur die Augen, als sei das die blödeste Frage, die er je gehört hatte. Was wahrscheinlich auch so war.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass du auf sie aufpassen sollst!«
    »Und wie soll ich das, wenn sie nicht da ist? Sie ist gar nicht gekommen. Und du bist schließlich ihr Bruder!«
    »Hör zu, du kleiner Mistkerl! Du solltest zu mir kommen, wenn so was passiert!«

    »Also Nick, du machst mir keine Angst!«
    »Ach, wirklich?« Wieder schnappte ich nach seinem Kragen und drehte daran.
    Er riss sich los. »Wirklich. Du bist kein Schläger, Nicholas, du gibst höchstens eine wenig überzeugende Parodie von einem Schläger.«
    Ich starrte ihn an. Wie üblich hatte mich der Zwerg schachmatt gesetzt. »Trotzdem, Shugs, es gibt Tage, da würde ich dich am liebsten zu Brei treten!«
    »Na sicher doch. Lass uns gehen, die Leute fangen schon an zu starren.«
    Im Ernst, manchmal fragte ich mich, wie Shuggie zwei Schuljahre hatte
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