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Road of no Return

Road of no Return

Titel: Road of no Return
Autoren: Gillian Philip
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gedacht, dass sie sich in
ihrem Alter die Haare kurz schneiden würde, aber das passte wohl nicht zu ihren Hippie-Blusen und den langen weiten Blumenröcken.
    Außerdem sah ihr Pferdeschwanz immer noch besser aus als der von Dad, dessen Haarfarbe von diesem eigenartigen Blond war, das immer grau wirkt. Ich finde ja, dass Pferdeschwänze bei Zwanzigjährigen gut aussehen, oder bei einem Mädchen. Aber nicht an einem ziemlich verfallenen, abgelebten Kerl mit mystischen Tätowierungen an den Unterarmen, die er meiner Meinung nach bereute. Er bereute überhaupt eine Menge, mein Dad.
    »Worte der Weisheit? Du hast mir zugehört?« Mums Wangen röteten sich leicht, als ein Lächeln ihre Mundwinkel streifte. »Und? Hat es dir gefallen, Nick?«
    »Ja«, log ich. »Du warst super, Mum.«
    »Vielen Dank, Liebling!« Das Lächeln erstrahlte und zauberte tiefe Grübchen in ihre Wangen.
    Na ja, sie ist eben meine Mutter. Ich bin kein schlechter Mensch. Zumindest bin ich nicht mehr ganz so schlecht wie früher. Aber ich bin immer noch ein ausgezeichneter Lügner.
    Ich bin mir nie ganz sicher, ob Mum an Gott glaubt oder an Buddha oder an die Feen, ich denke, es ist so eine Mischung aus allem. Ihr Lieblingssong ist Imagine , deshalb hat sie eine Panflötenversion davon, die sie als Einleitung zu den Worten der Weisheit spielt. Mum will, dass alle nett zueinander sind. Ich glaube kaum, dass sie selbst weiß, woran sie eigentlich glaubt, aber das wissen ihre Hörer auch nicht, und es ist ihnen auch egal. Sie ist ziemlich beliebt. Sie schreibt Gedichte für unsere Zeitung und kurze Artikel für Zeitschriften:
handfeste Moralpredigten, bei denen man zusammenzucken könnte. Ich ertrage den Kram nicht, und wenn sie mich nach meiner Meinung fragt, bluffe ich und gebe lediglich ein positiv klingendes Grunzen von mir. Mit siebzehn kommt man mit so etwas durch. Da wird nicht mehr als einsilbiges Grunzen von einem erwartet. Und schon gar nicht von mir.
    Da das Geräusch des Staubsaugers mittlerweile verstummt war, brachte ich Lola Nan ihren Tee, aber ich blieb nicht. Sie saß in ihrem schäbigen Sessel und starrte lächelnd und nickend in die Zimmerecke. Mit der rechten Hand klopfte sie wie üblich auf die Armlehne. Allerdings klopfte sie nicht wirklich, sie hielt ein paar Zentimeter darüber inne, als ob sie von einem unsichtbaren Kissen abprallen würde. Die meisten Eigenarten von Lola Nan störten mich nicht, aber das machte mich ganz irre. Ich hätte am liebsten ihre Hand genommen und sie beiseite gestoßen, um den Tee auf die Armlehne zu stellen. Sie musste so etwas gespürt haben, denn plötzlich sah sie mich fest an und knurrte wie ein Bär.
    Seufzend ging ich zur anderen Seite und stellte die Tasse auf die linke Armlehne. Da sie ihn wahrscheinlich nicht verschütten würde, ließ ich sie allein.
    Als ich wieder in die Küche kam, sah Dad nervös zur Decke, ungefähr in die Richtung, in der Allies Zimmer wäre, wenn es drei Meter weiter südlich läge. Für einen Mann hatte Dad erschreckend wenig räumliches Vorstellungsvermögen. »Wo ist Allie?«, fragte er und zeigte mit dem Löffel in die Luft.
    »Sie kommt gleich«, antwortete ich.
    »Sie ist ein bisschen spät.« Das selbst gemachte Müsli auf
seinem Löffel schwappte leicht und Milch kleckerte auf seinen Perlenuntersetzer.
    »Heute ist es ein Jahr her«, sagte ich.
    Mums Schultern spannten sich an und sie stöhnte kurz auf, drehte sich aber nicht um.
    »Ach, tatsächlich?« Dad zwinkerte. Er versuchte angestrengt, sich zu konzentrieren.
    Mein Dad hat nur ein Problem mit Alkohol, nämlich, dass er ihn nicht als Problem empfindet. Er verträgt ihn ziemlich gut und ist nie betrunken, aber er geht immer leicht benommen ins Bett und steht in ganz ähnlichem Zustand wieder auf. Aber wenn die Schatten in seinem Kopf überhand nehmen und er im Selbstmitleid und tiefstem Elend ertrinkt, dann bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Haus zu verlassen.
    Mum meint, es fällt ihm schwer, mit Lola Nan zurechtzukommen, aber ich glaube eher, es fällt ihm schwer, mit dem Leben zurechtzukommen. Er hat einfach keine Kraft dafür. Sein Verteidigungsetat ist minderbemittelt. Dad ist genau der Typ, der sich auf einen Streit einlässt, den er nicht gewinnen kann, und dann mittendrin kapitulieren muss. Selbst das tut er immer zu spät, um sich noch seine Selbstachtung erhalten zu können, sodass die Verachtung eines Verkehrspolizisten, eines Nachbarn oder eines Bürokraten deutlich spürbar wird. Ich
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