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Ritualmord

Titel: Ritualmord
Autoren: Mo Hayder
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Avon, herunter durch die Netham-Schleuse und in den Feeder Canal…«
    »…dann hätte das nur passieren können, wenn es im Hafen eine Strömung gäbe, was normalerweise der Fall ist, wenn die Schleusentore offen sind.«
    »Was aber in den letzten zwei Tagen nur einmal geschehen ist. Und zwar nachdem der Fund gemeldet wurde. Wir haben es überprüft.«
    »Sie wollen also sagen, sie wurde hier ins Wasser geworfen?«
    »Wir wollen gar nichts sagen. Ist nicht unser Job.«
    »Aber sie wurde hineingeworfen?«
    Sie wechselten einen Blick. »Ist nicht unser Job«, sagten sie wie aus einem Munde. 

    Cafferys Blick ging von Flea zu Dundas und wieder zurück. »Okay«, sagte er. »Sie wurde hineingeworfen.« Er sah wieder auf die Uhr. »Okay – in welcher Schicht arbeiten Sie beide heute? Was muss ich tun, damit Sie im Wasser bleiben?«
    »Oh, darum würde ich mir an Ihrer Stelle keine Sorgen machen.« Dundas nahm lächelnd seine Allwetterjacke vom Haken und zog sie an. »Wir haben uns beim Hafenmeister noch nicht abgemeldet. Und überhaupt, an Überstunden sind wir immer interessiert? Nicht wahr, Sarge?«
    3
    25. November
    Von der Nadel wegkommen ist das Einzige, was er je wollte. Für jeden, der verfolgt hat, wie er hundert Prozent seiner Zeit und Energie darauf verwendet, Stoff zu beschaffen, klingt es verrückt zu hören, dass er sich in Wirklichkeit mehr als alles andere wünscht, irgendeinen Weg aus all dem rauszufinden und clean zu werden. Es ist November, und er steht mit dem Bag Man – es ist der, den sie »BM« nennen – im Schatten des Hochhausblocks, drüben bei den Müllcontainern, wo die meisten Deals abgehen. Ein rauer Herbstwind peitscht auf Müll und Plastiktüten ein. BM trägt ein graues Kapuzenshirt; auf der Brusttasche steht »Malcolm X«, obwohl er weiß ist, und Mossy ist wütend, weil BM ihm eben gesagt hat, dass er keinen Kredit mehr hat.
    »Was?«, sagt Mossy, denn er und BM kennen sich schon tierisch lange, und es gibt überhaupt keinen Grund, so plötzlich dichtzumachen. »Fuck, was redest du da?«
    »Sorry«, sagt BM und sieht ihm in die Augen. »Das geht alles 
    zu weit. Kann dir diesmal nicht helfen, Mann, nicht mehr. Ende der Fahnenstange.« Er packt Mossy am Arm und zieht ihn zu sich heran. »Wird Zeit, dass du in eine Beratung gehst.«
    »Beratung? Was soll das heißen, Beratung?
    »Mach mir keinen Druck, Alter. Ich hab dir einen Tipp gegeben. Hör auf, mir Druck zu machen.«
    Aber Mossy versucht es trotzdem, noch ein bisschen jedenfalls; er versucht BM zu überreden, ihm was zu geben, wenigstens eine Kleinigkeit. Aber BM ist entschlossen und bleibt stur, und am Ende kann Mossy sich nur verdrücken. Halb denkt er daran, BM umzubringen, und halb an das, was er über eine Beratung gesagt hat. Zu seiner eigenen Überraschung findet er sich am Nachmittag im Westen der City wieder, unterwegs zu einer Beratungsstunde in einer gruseligen kleinen Klinik mit einer alten Frau am Empfang, die wirklich total furchterregend ist. Eines Tages wird diese Aktion allein, das bloße Betreten dieser Klinik, für Mossy Grund genug sein, BM die Schuld an allem zu geben.
    Die Sitzung ist gespenstisch. Alle hocken irgendwie im Zimmer verteilt herum, und keiner schaut dem anderen in die Augen. Einer hat eine Zweiliterflasche Mineralwasser, an der er nuckelt, als könnte sie ihm das Leben retten. Mossy sitzt da, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und tut, als interessierte er sich für sie, während sie mit monotoner Stimme jammern, das Leben sei nicht fair. Das ist ihm aufgefallen bei Leuten, die auf Heroin sind: Sie sind immer voller Selbstmitleid. Er hofft, dass er nicht auch so klingt. Aber die ganze Zeit schaut er sie an und fragt sich eigentlich nur, ob einer von ihnen ein bisschen Stoff dabeihat und welcher von denen wohl mitleidig genug sein könnte, um ihm was abzugeben. Also nudelt er jetzt seine Geschichte ab: wie er von seinem Onkel misshandelt wurde, wie er mit dreizehn das Wichsen lernte, und das ganze Zeug über Entzug und die Zwangstests, die er machen musste, über die Prostitution, und dass sie echt früh angefangen hat, als er 
    noch nicht mal fünfzehn war. Und er schwafelt weiter, obwohl er merkt, dass der Gruppenleiter, ein durchtrainierter Typ, der seit Jahren clean ist und der Gesellschaft etwas schuldet, ihn anstarrt, ihm in die Augen starrt, und Mossy glaubt, er findet da Sympathie, und vielleicht ist er der Einzige hier, der wirklich einen guten Grund hat, so drauf zu sein. Aber
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