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Ritualmord

Titel: Ritualmord
Autoren: Mo Hayder
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war mein Projekt, Phoebe. David war nur ein Beobachter. Du darfst ihm nicht so viele Vorwürfe machen. In dem, was wir taten, war nichts, dessen wir uns schämen müssten, aber als ich von der Universität geworfen wurde, blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Beteiligung zu verheimlichen. Es tut mir leid, dass wir es dir nicht erzählt haben, aber es war lange vor deiner Geburt, und wir dachten nie, dass du es erfahren müsstest.« Er legte die letzten Muffins in die Dose und verschloss sie fest mit dem Deckel. »In diesem Safe sind seine Notizen. Ich kenne die Kombination nicht, aber jetzt, da er nicht mehr für sich selbst sprechen kann, verdient er, dass wir seine Privatsphäre respektieren. Meinst du nicht?«
    Er wandte sich ab, trug das Backblech zur Spüle und ließ Wasser darüberlaufen. Sie zog die Hände unter den Achseln hervor, rieb sich die müden Augen und schaute aus dem Fenster, wo der Mond tief am Himmel über Bath hing. Der Albtraum, der mit der Hand im Hafen begonnen hatte, war vorbei. Sie konnte ihn ad acta legen wie alles, was passiert war: Jack Caffery auf dem Boden im Badezimmer, mit einem Funkeln in den Augen, das nicht in die Augen eines Polizisten gehörte. Jonah mit dem tropfenden Hals, der sie mit toten Augen anstarrte, als sie vergebens versuchte, sein blutleeres Herz wieder in Gang zu bringen. Tig saß im Gefängnis, und es war vorbei. Die ganze Sache war vorbei. Eigentlich sollte sie sich erleichtert fühlen, doch dem war nicht so.
    »Kaiser«, murmelte sie, den Blick weiter auf das Tal gerichtet. 
    »Wenn du sagst, Ibogain kann dir helfen, mit den Toten zu sprechen, glaubst du das wirklich?«
    Er schrubbte das Backblech. »Was ist mit dir, Phoebe? Glaubst du es?«
    »Ich habe Mum gesehen. Ich hab es dir nicht erzählt, aber ich habe sie in dieser Nacht gesehen. Sie hat mir zwei Dinge gesagt: dass man sie und Dad finden würde, und zwar bald. Und wenn man sie findet, soll ich nicht versuchen, die Leichen heraufbringen zu lassen. Und, Kaiser...«, sie zögerte, und ihre Stimme wurde noch leiser, fast unhörbar, »...jetzt kommt der Teil, den ich nicht verstehe und von dem ich dir nichts erzählt habe. Es ist passiert. Genau wie Mum es gesagt hat. Jemand hat sie gefunden, Kaiser. Jemand hat sie im Boesmansgat gefunden.«
    Einen Herzschlag lang blieb es still, und sie fragte sich, ob er sie gehört hatte. Er legte das Backblech in die Spüle, wischte sich die Hände an der Hose ab und zog ein Taschentuch hervor, um sich die Nase zu putzen. »Ja«, sagte er mit gedämpfter Stimme. Er stopfte das Taschentuch wieder in die Hosentasche, hob den Kopf und schaute aus dem Fenster. »O ja. Ich weiß.«
    »Du weißt es?«
    »Ich weiß es. David war mein einziger Freund, Phoebe. Ich habe zwei Jahre darauf gewartet, dass man sie findet. Jeden Tag sehe ich nach.«
    »Aber ich nicht. Nicht mehr. Also woher wusste ich es, Kaiser? Ich bin sicher, dass ich nicht wirklich mit den Toten gesprochen habe.« Sie schwieg und dachte darüber nach. Dann fügte sie mit dünner Stimme hinzu: »Oder doch?«
    Er drehte sich um und sah sie an. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber dass die Leichen gefunden wurden, wusstest du, weil du während des Ibogaintrips am Computer warst.«
    »Wie bitte?«
    »Du hast die Website angesehen. Ich kam aus der Küche, und du warst am Computer.«
    »Ich war bei DiveNet?«  

    »Du hast geweint.«
    »Aber ich...« Sie legte die Finger an die Stirn, zog die Brauen zusammen und versuchte zu begreifen, wie sie es hatte vergessen und wie säuberlich das Ibogain ihre Erinnerung hatte aushöhlen können.
    »Ich weiß, was du denkst - das ist unmöglich. Aber du traust dem Ibogain nicht genug zu. Und du traust auch deinen Instinkten nicht genug zu.«
    »Meinen Instinkten?«
    »Du hast das Bedürfnis, deine Eltern wiederzusehen.«
    Du hast das Bedürfnis, deine Eltern wiederzusehen. Bei diesen Worten biss sie sich auf die Unterlippe. Plötzlich und unerwartet war ihre Kehle zugeschnürt, und sie hatte Tränen in den Augen. »Kaiser«, murmelte sie. »O Kaiser, ich denke immer wieder, wir sollten versuchen, sie raufzuholen. Meinst du, wir sollten es versuchen?«
    »Das kannst nur du beantworten. Du und Thom. Und vielleicht...«
    »Vielleicht...?«
    »Vielleicht deine Eltern. Was hat deine Mutter in der Halluzination zu dir gesagt?«
    »Sie hat gesagt, wir sollten sie nicht heraufholen. Was auch passiert, wir sollten sie da lassen, hat sie gesagt.«
    Er schüttelte den Kopf, zog einen
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