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Ritualmord

Titel: Ritualmord
Autoren: Mo Hayder
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zur Seite, drückte die linke Hand innen an die Wand und schob den rechten Fuß - spiegelbildlich zu ihr - nach vorn in die Öffnung. »Jetzt«, flüsterte sie. » Los\«
    Mit CS-Gas und Schlagstock in der ausgestreckten Hand reckten sie die Hälse und ließen den Blick schnell durch den Raum vor ihnen wandern. Er war klein - sie entdeckten zwei weitere Türen und ein vernageltes Fenster - und verdreckt, voller Fliegen und schmutziger Fastfoodkartons. Auf dem Sofa an der Wand gegenüber saßen zwei Männer, der eine dürr wie ein Skelett und weiß, der andere klein und schwarz.  

    »Polizei!«, brüllte Caffery und streckte die Gasspraydose in den Raum. »Polizei!« Die beiden Männer kauerten sich aneinander. Der eine war der Kerl, den sie verfolgt hatten, der kleine Medizinmann mit der Jacke, und der andere Mallows. Caffery brauchte die Armstümpfe nicht zu sehen, um zu wissen, dass er es war. Lebendig. Sie hatten ihm die Hände abgeschnitten. Und er war noch am Leben. Der verdammte Cheftechniker. Er hatte recht gehabt, der Mistkerl.
    »Hey - du«, sagte Caffery. »Mallows? Ian Mallows?«
    Mossy wollte die Arme mit den dreckigen Verbänden heben, aber die Anstrengung schien ihn halb umzubringen. Er saß da und starrte Caffery unter schweren Lidern an. »Woher kennen Sie meinen Namen?«
    »Was glaubst du, woher ich deinen beschissenen Namen kenne? Ist alles okay mit dir?«
    »Nein, ist es nicht.«
    »Na, bleib, wo du bist. Das meine ich ernst. Rühr dich nicht.«
    »Seh ich aus, als ob ich irgendwohin gehen wollte?« Er wischte sich die Nase an der Schulter ab. »Scheiße«, murmelte er. »So eine verdammte Scheiße.«
    »Du!«, schrie Caffery den Schwarzen an. »Du, warum bist du weggerannt? He?«
    »Tut mir leid, Sir.« Er hob die Hände und wand sich. »Tut mir leid.«
    Caffery fuchtelte mit der Spraydose vor seinem Gesicht herum. »Aufstehen, runter vom Sofa. An die Wand. Los!« Er gehorchte und rutschte vom Sofa wie ein Kind, und Caffery musste an das denken, was die Kellnerin aus dem Restaurant gesagt hatte: Er war so winzig. Nur ungefähr so... »An die Wand da. So, und da bleiben. Die Hände dahin, wo ich sie sehen kann. Leg sie an die Wand.«
    Caffery kam ganz herein und richtete sich auf. Flea trat ebenfalls ein, und beide stellten sich instinktiv mit dem Rücken 
    zur Wand, hielten ihre Waffen vor sich und schauten sich um.
    »Wo ist er?«, fragte Flea. »Baines? Wo ist er hin?«
    Mossy hob halb den Kopf und verdrehte die Augen. »Im Bad«, sagte er, als wäre es ihm inzwischen scheißegal. Als wäre das rettende Erscheinen der Polizei eine lästige Plage, die vorbeigehen würde, wenn er Geduld hätte. Er wedelte unbestimmt in Richtung Fenster.
    Caffery drehte sich um und begriff, dass sie quer durch das Gebäude bis an die Rückseite vorgedrungen sein mussten. Das mit Brettern vernagelte Fenster lag in einem unbeleuchteten Korridor, der zur Seite des Hochhauses führte. Draußen hörte er fernes, auf- und abschwellendes Sirenengeheul. Die Unterstützungseinheiten trafen ein. Fleas Augen waren nass. Er wusste, was sie dachte. Mussten sie jetzt ins Bad gehen, oder konnten sie hierbleiben und auf die anderen Einheiten warten?
    »Gibt es im Bad einen Weg nach draußen?«, fuhr Caffery den Medizinmann an. »Ein Fenster oder noch eine Tür?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht ein Fenster.«
    »Scheiße«, murmelte er. »Scheiße, o Scheiße, o Scheiße. Natürlich ist da ein Fenster, oder?«
    In einem früheren Leben war hier ein Schlafzimmer gewesen - das Schlafzimmer einer Frau, nach dem verzierten Plastikkleiderschrank in einer Ecke zu schließen. Die Tür zum Bad sah schäbig aus, und das Furnier schälte sich ab, aber sie hatte immer noch einen Türknauf aus geschliffenem Kristall, der früher einmal jemandes Stolz und Freude gewesen sein musste.
    Flea und Caffery standen im Korridor. Flea lehnte mit dem Rücken an der Wand neben dem vernagelten Fenster. Sie wandte den Blick von der Tür, bückte sich leicht und reckte den Hals unter das Gitter. Sie spähte durch die Lücke, wo die Wellblechabdeckung zurückgebogen war, und sah die parkenden Autos draußen. Sie zog den Kopf zurück und schaute in 
    das Zimmer, aus dem sie gekommen waren: Die Lücke war nicht groß genug für Tig, aber der kleine Schwarze würde sich hindurchzwängen können, wenn er wollte. Sie hätte ihn mit den Handschellen an Mallows ketten oder in den Schrank sperren sollen. Zu spät. Die Sirenen wurden lauter - die erste
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