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Ritualmord

Titel: Ritualmord
Autoren: Mo Hayder
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will er mich ficken«, zischte Tig. »Will mir einen verpassen, bevor du mich wegschleppst.«
    Caffery knirschte mit den Zähnen und hebelte Tigs Hände mit den Ellbogen herunter. Flea packte seine Beine, aber er riss sie weg und trommelte mit den Füßen auf den Boden. »Hörst du mich?«, schrie er Caffery an, und Speichel sammelte sich in seinen Mundwinkeln. Sein verletztes Auge kippte hin und her. »Möchtest du mir einen runterholen, wenn wir schon mal hier sind, du Nuttenficker aus der City Road?«
    Caffery lag plötzlich sehr still auf ihm. Der Schweiß lief ihm von der Stirn ins Auge, aber er rührte sich nicht.
    »Lassen Sie mich an seine Arme!«, schrie Flea und suchte eine Stelle an Tigs Arm, wo sie mit dem Schlagstock landen könnte. »Lassen Sie mich ran an ihn!«
    »Hey, Bulle, antworte mir!«, brüllte Tig ihm ins Gesicht.  

    »Ja, du, du verschissener, dreckiger Bullenfreier!« Er drängte ihm die Hüften entgegen. »Antworte mir! Los! Sag, dass du es willst!«
    Die Zeit schien stehenzubleiben. Dann, im nächsten Augenblick, ging sie ruckartig weiter. Irgendwo hinter ihnen hörte Flea Stimmen, ein knisterndes Radio, irgendwo in einem fernen Zimmer schrie jemand: »POLIZEI!« Caffery bog sich zurück, packte Tig bei den Ohren und riss seinen Kopf hoch. Tig schrie und versuchte sich zu befreien. Flea musste die Seite wechseln; sie stieg über die beiden Männer hinweg, stieß sich die Knie an der Badewanne an und versuchte verzweifelt, Tig unter die Arme zu fassen, aber diesmal hinderte Caffery sie daran. Ohne einen Laut von sich zu geben, ohne einen Seufzer oder ein Wort, ließ er Tigs Ohren los, sodass dessen Hinterkopf auf den Fliesenboden krachte.
    »Mein Gott!«, schrie Flea. »Hören Sie auf! Sie bringen ihn...«
    Aber Caffery hörte sie nicht, riss Tigs Kopf hoch und schlug ihn erneut auf die Fliesen, noch härter diesmal. Etwas flog über den Boden, ein Zahn vielleicht. Blut schoss in einem Strahl, dick wie ein Strohhalm, aus Tigs Nase. »Ich bringe dich um.« Caffery rutschte auf den Knien ein Stück zurück, um Tigs Ohren besser fassen zu können. Er würde es noch einmal tun.
    »Aufhören. Aufhören!« Sie stürzte sich auf ihn, wühlte die Finger unter seine Hände, versuchte seinen Griff zu lockern, aber er stieß sie mit der Schulter von sich weg und rutschte herum, bis er ihr den Rücken zuwandte. Unter ihm strampelte Tig Halt suchend mit den Füßen. Sie rollte zurück, richtete sich in der Hocke auf, aber sie hatte nicht genug Zeit, um die richtige Position einzunehmen. Sie konnte nur ein Ziel anpeilen - nicht die Rippen unter der Panzerweste, sondern den Fußknöchel. Das würde genügen: der Fußknöchel. Sein Fuß in den eleganten Loakes-Schuhen, den grauen Socken, die Hose ein Stück hochgerutscht. Sie murmelte ein Stoßgebet und ließ den ASP heruntersausen, nur einmal, schnell, genau auf den Knochen.  

    Einen Sekundenbruchteil war es absolut still. Caffery erstarrte und bog den Kopf in den Nacken. Einen Moment lang dachte sie, er werde sich nicht bewegen, sie nur anfauchen, aber dann wich die Luft in einem tiefen Ausatmen aus seiner Lunge. Er ließ Tig los, rollte zur Seite und krümmte sich wie ein Fötus zusammen. Beide Hände umklammerten seinen Knöchel. Sie erwartete, dass er sie anschrie, aber das geschah nicht; er lag einfach auf der Seite, wandte ihr den Rücken zu und hielt sich den Fuß. Seine Rippen unter der kugelsicheren Weste hoben und senkten, hoben und senkten sich.
    Zwei oder drei Sekunden lang herrschte surreale Stille, gerade lange genug, dass sie seinen Nacken betrachten und Tig ansehen konnte, der mit blutbespritzter Brust zusammengekrümmt dalag und die Hände ans Gesicht presste. Dann drang das Geräusch von lauten Stimmen und Funkgeräten herein; Taschenlampen blitzten auf. Es wimmelte von den Jungs der Unterstützungseinheit - und dann war die Sache, die ganze verfluchte Sache zu Ende.
    56
    18. Mai
    Caffery war beim Pinkeln, als es passierte. Er stand zwischen den Bäumen, und sein Urin dampfte, denn es war kalt geworden, als die Sonne unterging. Das Geräusch kam von links, den Abhang herauf, und ließ ihn innehalten. Zuerst dachte er, es sei der Walking Man, der Holz für sein Feuer sammelte, aber als er hinter sich zwischen den Ästen hindurchschaute, befand sich der Walking Man noch genau an derselben Stelle wie zuvor.  

    Er schüttelte ab, zog den Reißverschluss zu, schob die Hand in die Jackentasche, um nachzuprüfen, ob das Taschenmesser noch
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