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Ritualmord

Titel: Ritualmord
Autoren: Mo Hayder
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Schulterhöhe an den Wänden entlang und tastete nach einem Lichtschalter. Aber da war nichts. Nur das Tageslicht von links und vor ihr die Dunkelheit. »Er muss hier...«
    Ein schlurfendes Geräusch drang vor ihr aus dem Dunkel. Sie beugte sich vor und versuchte in den Raum zu spähen. Ihre Augen brannten vor Angst. Sie sah ein rotes Blinklicht, das dort aufleuchtete und erlosch, ein kleines Licht nur, so groß wie eine menschliche Iris. Etwas Elektronisches vielleicht. Wieder hörte sie das Geräusch, und Schweiß bildete sich in ihren Achselhöhlen.
    »Scheiß drauf«, murmelte sie, kroch in das Schlafzimmer zurück und zog ihr Funkgerät aus der Westentasche. Sie drückte auf die Notfalltaste und blockierte den restlichen Funkverkehr. »Bravo Control, Bravo Control«, zischte sie. »Standort Siedlung Hopewell, North West Tower, Status Zero, benötigen dringend Unterstützung. Schlage vor, dass anrückende Einheiten Gerät und Aufbruchswerkzeug mitbringen. Und, äh...« Sie starrte in den Korridor, der ins Innere des Gebäudes zu führen schien, und das Blut gefror ihr in den Adern, als sie sich vorstellte, wie Tig sich wie eine Termite durch die Wände seiner Wohnung wühlte. »Ja, man soll das Gebäude von allen Seiten umstellen. Es ist sitex-gesichert; also sollte das entsprechende Gerät kommen.«
    Seufzend drehte sie sich zu Caffery um, der mit dem Rücken 
    zur Wand in der Öffnung stand. Das rote Licht hinter ihm blinkte. Er schüttelte den Kopf.
    »Was ist?«, fragte sie lautlos.
    »Wollen Sie auf sie warten?«, fragte er flüsternd.
    »Ja.« Sie verschob die Weste, sodass sie auf dem Hüftknochen ruhte und weniger auf ihre Brüste drückte. »Risikobewertung«, flüsterte sie. »Ich hab sie vorgenommen, und das ist meine Entscheidung.«
    »Und wie weit, glauben Sie, ist er in dieses verdammte Gebäude eingedrungen?«
    Sie wusste, was Caffery meinte, worauf er hinauswollte. »Ist mir egal, wie weit er drinnen ist.«
    »Aber es ist Ihnen nicht egal, ob er auf der anderen Seite wieder herauskommt«, zischte er.
    »Mich interessiert mein Job und dass ich auf der anderen Seite wieder herauskomme. Das gehört zur Grundausbildung, Teil eins: kein Licht, wir wissen nicht, was da drin ist, und ich riskiere nicht mein Leben. Vielleicht haben Sie es eilig zu sterben, aber ich nicht.«
    Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, ließ es dann aber bleiben. Er schaute zurück in den Korridor, dann sah er sie an, und einen Moment lang glaubte sie, er werde allein gehen. Aber er kehrte zurück ins Zimmer und streckte die Hand nach ihr aus. Zum zweiten Mal an diesem Tag zuckte sie zurück, als hätte sie Angst, geschlagen zu werden. Aber er öffnete nur eine Tasche an ihrer Weste und zog eine graue Spraydose CS- Gas heraus. Dann kam er so nah an ihr Ohr, dass sie seinen Atem spürte. »Und das«, flüsterte er, »war die größte Lüge, die ich jemals aus dem Mund eines anderen Menschen gehört habe.«
    Flea blieb wie erstarrt stehen. Sie sah ihm nach, wie er erneut im Korridor verschwand, spürte, wie die kleinen Muskeln an ihrem Kiefer sich bewegten, als sie an Bushman's Hole dachte und sich erinnerte, wie sie Thom hinuntergehen ließ.  

    Sie dachte an das dunkle Wasser und an das, was er dachte, als er Mum und Dad in der Schwärze verschwinden sah - und etwas wie Luft durchströmte sie, etwas, das in ihr aufstieg und zerplatzte. Sie schob das Funkgerät in die Klettverschlusstasche an ihrer Weste, folgte Caffery in den Korridor und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Hören Sie«, zischte sie und starrte in die Dunkelheit vor ihr. »Das Gas. Benutzen Sie es nur, wenn es sein muss - es ist zu eng hier. Wenn Sie es benutzen, kriegen wir es alle ab, und dann müssen wir wirklich auf die Kavallerie warten.« Sie strich mit der linken Hand über die Taschen an ihrer Weste und vergewisserte sich, dass alles da war: die Handschellen, das Funkgerät. Dann zog sie das Messer hinten aus ihrer Hose und gab es ihm. »Sie erwarten uns in Kopf- oder Brusthöhe. Also gehen wir geduckt rein.«
    Sie drängte sich an ihm vorbei, ging im Durchgang in die Hocke und drehte sich seitwärts. Caffery war dicht hinter ihr. Sie hörte, wie auch er sich duckte, und dann, wie er in ihrem Nacken ein- und ausatmete. Aber vor ihr war es still; das scharrende Geräusch hatte aufgehört. Sie versuchte, weit in den Raum hineinzusehen, und automatisch spulte sich in ihrem Kopf alles ab, woran sie denken sollte: die Form des Raums, die Position
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