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Rittermord

Rittermord

Titel: Rittermord
Autoren: Edgar Noske
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Geist hakte ich den Punkt ganz schnell ab, denn Josef war gut in Fahrt, und ich wollte nicht, daß er an Schwung verlor.
    »Okay«, sagte ich. »Wenn es die Erbschaft nicht war, was war es dann? Hat er dir als Kind immer den Nachtisch geklaut?«
    Josefs Augen weiteten sich, und seine Schläfenadern traten überdeutlich hervor. »Ich weiß nicht, was daran so komisch sein soll. Jakob hat sich schon immer einfach das genommen, was er haben wollte. Und wenn er es nicht gekriegt hat, durfte es auch kein anderer haben. Also hat er es kaputt gemacht.«
    »Redet er von was Konkretem?« fragte ich Beate, weil mir das reichlich zusammenhanglos vorkam.
    »Jakob war es, der Bobby abgestochen hat.«
    Ich brauchte einen Moment, bis ich wieder wußte, wer Bobby war.
    »Jakob war der Pferderipper?«
    Beate nickte und biß sich auf die Lippen. Josef hatte ohnehin den Kopf gesenkt und sah aus, als würde er gleich flennen. Ich fand es natürlich auch ein Unding, Pferde abzuschlachten, aber Josef war ein erwachsener Mann. Etwas mehr Contenance hätte ich schon erwartet.
    »Warum, in aller Welt, hat Jakob das getan?« fragte ich.
    »Weil Bobby ihn abgeworfen hat«, sagte Josef, gegen Tränen kämpfend. »Dieses Dreckschwein, das sich mein Bruder nannte, war nämlich zu blöd zum Reiten, und deshalb mußte er jedes Pferd quälen. Er ist sogar mit Sporen geritten, das muß man sich mal vorstellen! Bobby hingegen hatte Charakter. Mehr Charakter als mancher Mensch. Ich hatte Jakob verboten, ihn zu reiten, aber er hat es immer wieder versucht. Er wollte dem Tier beweisen, wer der Stärkere ist. Und Bobby hat ihn ein ums andere Mal abgeworfen. Da ist Jakob in der Nacht vom dreizehnten auf den vierzehnten Juni 1995 hingegangen und hat Bobby mit einer Lanze abgestochen.«
    »Wie hast du das denn rausgekriegt?«
    »Beate hat’s rausgefunden.«
    Ich mußte schon wieder laut werden, da sie nichts sagte. »Dürfte ich vielleicht erfahren, wie?«
    »Ich bin wirklich mal mit Jakob ins Bett gegangen«, sagte sie mit leiser Stimme. »Im Prinzip hat es sich genauso abgespielt, wie ich es dir erzählt habe. Josef und ich hatten Streit, er ist aus dem Haus, und ich hab mich betrunken und wollte jemand aufreißen. Dann stand Jakob vor der Tür, und wir sind zu ihm gefahren. Nur, daß das zwei Wochen früher passiert ist. Als Jakob unter der Dusche stand, hab ich in seiner Kommode gestöbert und bin dabei auf seine Tagebücher gestoßen. Ich hab mir einen beliebigen Band gegriffen, hab ihn irgendwo aufgeschlagen und lese als erstes, daß Jakob Bobby abgestochen hat.«
    »Mein Bruder war ein Dreckschwein!« sagte Josef. »Ein gottverdammtes Dreckschwein. Und das schönste ist, er ist damit immer durchgekommen. Trotz allem, was er ständig ausgefressen hat, war er Vaters Lieblingssohn. Ich war nur zweite Wahl. Das gleiche bei den Mädchen. Jakob hat sie behandelt wie den letzten Dreck und hatte trotzdem den dicken Schlag. Ich mußte mich mit denen zufrieden geben, die übrig blieben. Es hat Jahre gedauert, bis ich mich freigeschwommen hatte und aufhörte, mich an ihm zu messen.«
    »Ich würde gerne von dem Geniestreich hören, wie du deinen Bruder dazu gekriegt hast, heimlich bei dem Turnier mitzureiten«, sagte ich. »Denn das war doch deine Idee, oder?«
    »Natürlich.« Es sah beinahe aus wie Vergnügen, was seine verkniffenen Züge aufweichte. »Einmal, das muß fünfzehn Jahre oder länger her sein, haben wir beide am Turnier von Satzvey teilgenommen. Der große Gag dabei war, daß der gute und der böse Ritter einander wie ein Ei dem anderen glichen, als sie nach dem Finalkampf die Helme absetzten. Das Publikum hat sich damals vor Begeisterung fast überschlagen. Wir wollten das dann irgendwann mal wieder machen, aber es hat nie mehr geklappt. Bis zu diesem Jahr. Es war meine letzte Chance mitzureiten, und mithin unsere letzte, das Spiel noch mal zu wiederholen. Nur diesmal wollten wir es total geheimhalten, nicht einmal der Veranstalter sollte Bescheid wissen.«
    »Kam Jakob das nicht seltsam vor?«
    »Ach was, für ihn war das wie ein Streich aus Kinderzeiten. Dieses Doppelte-Lottchen-Spiel, das wir früher dauernd gespielt haben. Er hat sich über den Bachlauf eingeschlichen und in einem der Zelte versteckt. Dort haben wir dann die Garderobe getauscht, und während er in meiner Aufmachung nach draußen ritt, hab ich mir den Engländer geschnappt. Um Haaresbreite hätten mich seine Knappen dabei erwischt, aber ich hatte Schwein. Den Rest kennst du
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