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Rittermord

Rittermord

Titel: Rittermord
Autoren: Edgar Noske
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Autogrammkarte von Kuno. Die kriegst du automatisch mit der Rechnung. Schenk ich dir.« Ich gab ihr das Foto. »Warte mal, sein Geburtsort ist Dordrecht. Probier’s mal damit.«
    »Wie schreibt sich das?«
    Ich buchstabierte. Wieder Fehlanzeige.
    »Zeig mal her.«
    Sie nahm mir die Zulassung aus der Hand. »Van der Wimst ist am neunundzwanzigsten Februar geboren. In einem Schaltjahr, verstehst du? Das wär doch was.«
    Ich beugte mich zu ihr hinüber und studierte das Datum.
    »Tatsächlich. Geboren am 29.02.1964. Er war erst dreiunddreißig. Gerade mal so alt wie Jesus.«
    Gina tippte die Zahlen ein. Das Ergebnis war das gewohnte.
    »Keine Panik«, sagte sie. »Ich laß mal die Neunzehn weg.«
    Wieder nichts.
    »Versuchs mal mit Schrägstrichen statt Punkten«, sagte ich. »Manche schreibend ja so.«
    Die Dioden blinkten, die Festplatte setzte sich vernehmlich in Gang und – wir waren im Menü.
    »Bingo!« kreischten wir und hätten beinahe den Laptop runtergeschmissen.
    »Ganz vorsichtig«, sagte ich. »Jetzt bloß keinen Fehler machen. Mist, der hat ja alles auf holländisch notiert.«
    »Was hattest du erwartet. Finnisch?«
    »Verstehst du Holländisch?«
    »Ein Drittel meiner Gäste kommt aus Holland. Da bleibt so manches hängen.«
    Aber auch für mich war es weniger schwierig als erwartet. Ich verstand zwar nicht jedes Wort, aber hinter den Sinn kam ich allemal. Der Reihe nach wühlten wir uns durch alle möglichen Dateien. In den meisten war bitweise Korrespondenz mit Firmen, Verbänden, Ministerien und so weiter. Dann gab es endlose Tabellen mit den Ergebnissen chemischer Untersuchungsreihen, Analyseprotokolle, Fracht- und Zollpapiere sowie einen elektronischen Wust anderer Dokumente, aber nichts, was mich vom Hocker riß.
    »Was suchst du eigentlich genau?« fragte Gina.
    »Informationen über die Hintermänner. Zum Beispiel den Namen dieses holländischen Eierbarons, den van der Wimst mir nicht nennen wollte.«
    »Da war doch eben so ’ne Art Organisationsdiagramm.«
    Ginas Finger glitten souverän über die Tastatur.
    Das Diagramm erschien. Es war unübersichtlich, weil es nicht ganz auf den Bildschirm paßte, so daß wir ständig blättern mußten. Außerdem stand nahezu jeder mit jedem in irgendwelchen Beziehungen, mal auf direktem Weg, mal auf Umwegen. Die einzelnen Organisationseinheiten, hinter denen ganze Unternehmen oder auch Einzelpersonen stehen mochten, trugen Decknamen aus dem Tierreich. Eine hieß ›Shark‹, eine andere ›Lobster‹, eine dritte ›Oyster‹. Dann gab es eine Einheit namens ›Lion‹, eine namens ›Tiger‹ und eine weitere namens ›Jaguar‹. Mittendrin, wie die Spinne im Netz, saß ein Fisch. Auf den tippte Ginas Zeigefinger.
    »Das muß der Eierbaron sein«, sagte sie. »Jetzt müssen wir nur noch rausfinden, wer sich hinter dem Decknamen verbirgt.«
    »Nicht nötig«, sagte ich. »Der Barde hat seine Plattenmillionen in Legebatterien angelegt. ›Matjes‹ ist Kunos Spitzname.«

Kapitel 30
    Wir standen unter der Blutbuche, ziemlich genau an der Stelle, wo ich vor zwei Tagen den Nervenzusammenbruch hatte. Auf Josefs Grab türmten sich noch die Sträuße, Gebinde und Kränze von der Beisetzung. Gina ordnete die Schleifen, die der Wind verzwirbelt hatte. Zum Schluß bekreuzigte sie sich. Ich half ihr aus der Hocke hoch. Ihr Blick blieb an mir hängen.
    »Was ist mit dir?« fragte sie. »Du guckst so – beinahe belustigt.«
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Das war ohne Absicht. Ich wollte deine Gefühle nicht verletzten.«
    Sie starrte mich an, als hätte ich den Satz ironisch gemeint. Das war nicht der Fall gewesen, aber sie hatte es so aufgefaßt. Ich setzte an, mich für die Entschuldigung zu entschuldigen, aber da legte Gina ihre Hand auf meinen Mund. Ganz leicht, daß ich kaum ihre Finger spürte, nur einen Hauch parfümierter Seife erschnupperte.
    So standen wir uns eine ganze Zeit gegenüber, auch noch, nachdem sie ihre Hand wieder weggezogen hatte. Zum ersten Mal fiel mir auf, wie dunkel ihre Augen waren. Sie glänzten wie nasser Schiefer.
    »Ich fahr jetzt zurück nach Kyllburg«, sagte sie schließlich. »Kommst du mit?«
    »Der Fall ist noch nicht aufgeklärt.«
    »Das ist nicht länger dein Job, Tom. Und er war es auch nie.«
    »Oh doch, mehr denn je.«
    »Berichte Emmelmann, was du herausgefunden hast, und laß dann die Finger davon. Bitte.«
    »Nein.«
    Gina wandte sich ab, ging ein paar Schritte und drehte sich noch einmal um. »Dann sag mir
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