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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
Autoren: Jockel Tschiersch
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dem Handrücken vorsichtig die Motortemperatur, zog einen Schlitzschraubenzieher aus der T asche seiner Kombi und drehte die Leerlaufverstellung ein wenig nach unten: Den Leerlauf konnte man nur bei warmem Motor optimal einstellen.
    »Heut versägen’s dich, Fricker.«
    Ewald brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer da hinter ihm stand. Bene Kempter war sein A rbeitskollege und eigentlich auch sein Freund. Bene war noch keine dreißig, groß, sah granatenmäßig gut aus und hatte das, was man im A llgäu einen definitiven »Stich bei den Mädels« nannte.
    »Hast immer noch kein Mädle, oder?«
    Ewald ließ ihn reden, es gehörte einfach dazu, dass Bene Sprüchle machen musste, gerade über die Mädels. Dabei, das hatte Ewald hintenherum mitbekommen, sollte der schöne Bene angeblich selber ziemlich abgeblitzt sein bei Frau Zieschke, der neuen Disponentin der Kiesgrube.
    Es war eh nichts mehr so wie früher in der Kiesgrube, Ewald war mittlerweile bald einer der Letzten, die noch beim alten Poschedsrieder angefangen hatten. Seit zehn Jahren gehörte die Grube dem Herrn Zwerger, der eines T ages in Ratzisried aufgetaucht war, in seinem Honda Prelude de luxe, goldmetallic. Karl Zwerger war mit vierzig noch ein wilder Hund gewesen, hatte als V ertreter für Honda-Automobile in Kempten gearbeitet und sich, wie man im Dorf sagte, »geschwind« die Karin Poschedsrieder geschnappt, die damals auch schon Ende dreißig und noch zu haben war. Im Goldmetallic-Prelude hatte er die blasse Karin ausgiebig durchs A llgäu kutschiert, ihr die W ellness-Oasen des V oralpenraums gezeigt und sie ein halbes Jahr später geheiratet, samt dem Grundstück und der Kiesgrube vom alten Poschedsrieder. Es hatte keine drei Monate gedauert, dass Schwiegervater Erwin dank seines Bluthochdrucks in die ewigen Kiesgründe eingegangen war und Karl Zwerger die Kiesgrube übernommen hatte. Karl Zwerger hatte ein gutes Händchen, der Kiesbetrieb florierte und expandierte, und bald bekam Karin ihr Mercedes-Cabrio, zog sich aus der Firma zurück und engagierte sich für soziale Belange als First Lady von Ratzisried.
    Durch die Krise war Karl Zwerger ganz gut durchgeschlittert, im A llgäu wurde eben immer noch mehr gebaut als sonst wo im Land. V or einem halben Jahr hatte er sogar eine neue Disponentin eingestellt, die ihm nach kurzer Zeit den Laden schmiss. Diese Rita Zieschke war nicht nur fleißig und kompetent, sondern sah auch sehr gut aus mit ihren 32 Jahren. Man wusste ja im Dorf nichts über diese Frau, sie war nicht in Ratzisried aufgewachsen, sie stammte nicht mal aus dem A llgäu, sondern aus dem Osten, und das hörte man auch noch ein wenig. Sofort hatten die Gerüchteschnellkochtöpfe unter V olldampf gestanden, und es wurde eifrig gemutmaßt, was Rita Zieschke ins A llgäu verschlagen hatte. Manche witterten eine enttäuschte Liebe, andere ein in Sachsen in die Pleite gegangenes Kies-Unternehmen, und der alte Sepp Darchinger wollte sogar erfahren haben, dass die Rita mit einem Franchise-Unternehmen für Fertighäuser in Mecklenburg gescheitert war. Mit Räuberpistolen über ihren Lebenslauf wurde nicht gespart, angeblich war ihr V ater ein von der Staatssicherheit geschasster Chemie-Ingenieur, und womöglich sei sie auch Leistungssportlerin in der DDR gewesen, zumindest ließ ihre Figur darauf Rückschlüsse zu: T urnerin vielleicht oder Schwimmerin. Rita Zieschke äußerte sich zu all dem Unfug nicht, lächelte mit ihren schönen braunen A ugen und tat ihre A rbeit als Disponentin der Kiesgrube, und zwar sehr gut und vor allem mit viel Spaß. So mancher A llgäuer Kerl hatte da gleich mal versucht, sich mehr als ein Lächeln einzufangen, aber Rita gab klar zu verstehen, dass da nichts lief, immer nett und liebenswert im T on, aber klar und reserviert zur Sache.
    Keiner wusste freilich, dass sie wirklich eine große Enttäuschung hinter sich und von dem Spiel, das man Liebe nennt, erst einmal genug hatte. Sie bevorzugte eher kleine unverbindliche A ffären zur Besänftigung der alltäglichen Lustaufwallungen, bei denen allerdings sie die Spielregeln bestimmte. Rita Zieschke hatte alles andere als eine langfristige Bindung auf ihrem W unschzettel stehen, hatte aber feststellen müssen, dass ihr, seit sie im W esten war, die Männer mit verblüffender Regelmäßigkeit A nträge fürs Leben machten, und es waren nicht nur V erlierer und Idioten, die das taten. Und als der schöne Bene Kempter sich ihr als permanenter Liebhaber
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