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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
Autoren: Jockel Tschiersch
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utoverkäufers.
    »Also, meine lieben Gäste, meine lieben Freunde, liebe Mitarbeiter und meine starken Männer auf den Planierraupen, der Herrgott hat’s mal wieder gut gemeint mit uns, wir haben Bier, Musik, Bratwürst’ und Sonnenschein, und jetzt frage ich euch: Seid ihr so weit?«
    Lautes Johlen und Klatschen waren die A ntwort, die starken Männer auf den Raupen gaben so etwas wie Kampfgeheul von sich und spielten wieder mit den Gaspedalen. Nur Ewald Fricker saß seelenruhig auf seiner Raupe, nickte kurz und winkte mit der Hand einmal ins Publikum.
    »Dann gehen wir’s an, Buben und Madeln. Ich eröffne hiermit das mittlerweile 15. Betriebs-Wettplanieren um den W anderpokal der Firma Zwerger. Meine liebe Frau Karin wird jetzt gleich den Startschuss geben, und ich ruf euch zu, Buben: Lasst es krachen, und haut ihn weg, den Kies! A uf dass der Beste gewinnen möge!«
    Karl Zwerger nickte seiner Frau zu, Karin hob die Hand. A ugenblicklich verstummte das Gejohle, und nur das T uckern der Dieselmotoren war zu hören. Karin streckte den A rm mit der Pistole nach oben, langsam und gesetzt, als wäre das alles ein großes Ritual, blickte noch einmal zu den Menschen, die da vor ihr standen, krümmte den Finger am A bzug und ließ den Startschuss über das Kiesgrubengelände knallen, der sich an den gegenüberliegenden Kieswänden brach und als dreifaches Echo zurückkam.
    Das T oben des Publikums übertönte den Lärm der Dieselmotoren, mit durchdrehenden Ketten setzten sich die Raupen in Bewegung. A ls Erster war der junge Kevin Maierhöfer losgekommen, er fuhrwerkte auf der Raupe herum wie ein Berserker. Staub wurde aufgewirbelt und vermischte sich mit den W olken von Dieselqualm, der aus den A uspüffen der Raupen kam. Ewald Fricker schien seine Raupe wie in T rance zu steuern, mit ruhigen Bewegungen, und in seinem Gesicht lag ein fast schon geheimnisvolles Lächeln, eine Synthese aus höchster Konzentration und kindlicher Freude. W ährend die anderen mit ihren Hebeln schufteten wie Schwerstarbeiter, die Ketten ihrer Raupen durchdrehen ließen, die Gänge reinprügelten, als seien die Schalthebel zu klein geratene Mistgabeln, war Ewalds Steuern der Raupe fast wie ein Flirt mit dem Kies. Er schien ein physischer Bestandteil seiner Fiat-Allis geworden zu sein, ein Maschinenmensch. Einer, der mit dem Kies tanzte. Und wo sich das Planieren bei Schorsch und Kevin zu einem Schauspiel schierer Raupenkraft auswuchs, glitt Ewalds Fiat-Allis durch den Kies wie ein Schaumlöffel, der Eischnee unter eine unendlich leichte Masse hebt. Behende wie ein Eichkätzchen schien seine Raupe über den Kies zu gleiten, drehte sich über die linke oder die rechte Kette, als seien V orwärtsbewegung, Rückwärtsfahrt und Richtungswechsel nur eine jeweils andere Schattierung einer großen Gesamtbewegung, in der Frickers Maschine wie eine hungrige Raupe dem Kieshügel zu Leibe rückte.
    Rita stand an der A bsperrung. A n sich fand sie solche Männerspielchen albern, musste sich aber eingestehen, dass sie dieses absurde Planierraupen-Ballett doch ein wenig amüsierte. Die Männer gebärdeten sich wie wilde Staubritter auf neumodischen Rössern, die gegen wehrlose Kieshaufen zu Felde zogen, damit mal wieder einer der Sieger sein durfte: Es ging Rita manchmal auf die Nerven, in einem Land zu leben, das ständig von allem und jedem die oder den Besten suchte, um letztlich nach dem Event doch wieder nur Idioten gefunden zu haben. Nur dieser eigentümliche Herr Fricker schien sich samt seiner Raupe irgendwo außerhalb dieses ganzen Rummels zu bewegen.
    Mitten in diesem Plätschern der Gedanken spürte Rita hinter sich eine Berührung, die mehr war als ein harmloses Gestreiftwerden im Gedränge. Und sie hörte ein Flüstern, das von einem Hauch alkoholgeschwängerten A tems begleitet wurde.
    »Jaja, der Fricker … das ist auch alles bloß Show bei dem.«
    Rita brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Bene Kempter seinen Körper an sie herangeschoben hatte, wie immer viel zu dicht.
    »Was du brauchst, das wär ein richtiger Kerl!«
    Rita wendete den Kopf und fing sich Benes Grinsen ein, das der offenbar für unwiderstehlich hielt. Rita grinste zurück.
    »Einen wie dich, oder?«
    Benes ungebrochenes Grinsen ließ keinen Zweifel daran, dass Ironie ihm fremd war.
    »Tu mir einen Gefallen, Bene, und lass mich in Ruhe zugucken.«
    »Magst was trinken?«
    »Danke. A ber ich bin alt genug, ich kann mir schon selber was holen. Und jetzt sei
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