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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
Autoren: Jockel Tschiersch
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angeborenen Geiz, aber jetzt winkte er lachend ins Publikum, zwinkerte Rita einmal heimlich zu. Sie hatte fast ein wenig Mühe, sich vorzustellen, dass das der Mann war, mit dem sie sich vor drei Stunden auf dem Bürotisch im Rahmen des Möglichen vergnügt hatte. Sie gestand sich ein, dass es eine praktische A ffäre war, und schwor sich, sich nicht zu tief einzulassen auf die Gefühle. A uf zu große Nähe hatte sie keine Lust, ein wenig Sex und nette Geschäftsreisen waren jedoch im Bereich des Erträglichen und zeitweise auch A ngenehmen. V erheiratete Männer konnte man ganz gut am Zügel halten, wenn man selbst nicht mehr wollte als ein wenig Spaß und A bwechslung. Das mit der großen Liebe hatte Zeit. Karl Zwerger konnte ein ganz charmanter Kerl sein, meistens dann, wenn er weg war von zuhause und seiner Kiesgrube.
    Die Leute strömten zum Bierausschank, und die W eissachtaler Buben legten noch eine Kohle drauf, lautstärkemäßig.
    Rita beschloss, noch ein Bier zu trinken und sich dann nach Hause zu verkrümeln. Sie verspürte Lust auf eine Zigarette und ging nach draußen, wo sich der Hochgrat, jetzt vom V ollmond angestrahlt, vor sternenblauem Himmel abhob: Es sah aus wie der pure Kitsch, und Rita fand es in diesem Moment einfach schön, hier zu leben und nicht in dem mecklenburgischen Kaff, wo sie aufgewachsen war.
    Hinter der Maschinenhalle stand Frickers gelbe Fiat-Allis, direkt neben der kleinen Diesel-Zapfsäule, aus der die firmeneigenen Fahrzeuge betankt wurden. In der Halle hörte man die W eissachtaler Buben spielen, Fricker trieb sie mit seinem A kkordeon musikalisch vor sich her.
    Bene schleppte aus seinem mit Spoilern und A uspuffblenden verzierten Honda prelude einen Umzugskarton heran, Schorsch rückte dem Dreck auf Frickers Raupe mit einem Knäuel Putzwolle zu Leibe. Bene nahm einen großen Schluck aus einer Obstlerflasche und warf sie Schorsch zu. Er packte zehn rote Farbsprühdosen und ein paar Schablonen aus dem Karton und stellte sie auf die Motorhaube. Schorsch nippte nur einmal kurz an der Flasche.
    »Meinst, das gibt keinen Ärger?«
    Bene lachte.
    »Du bist doch ein ewiger Hosenscheißer, Schorsch!«
    »Wenn der Zwerger das sieht, dann schmeißt er dich raus.«
    »Und dich gleich noch dazu! Dann stehst sauber da mit’m Kredit für dein Häusle! Dann musst dein Mädle zum Schaffen schicken, haha!«
    »Die geht sowieso schon putzen …«
    »Das wird dann nimmer reichen … dann musst sie halt zum A nschaffen schicken, rauf nach Kempten!«
    Schorsch fand diesen Scherz nicht besonders komisch.
    Bene hielt eine Schablone mit einer großen 1 an die Motorhaube und sprühte satt rote Farbe darüber.
    »Das sieht doch saugut aus, oder?!«
    Schorsch lächelte.
    »Das können wir gleich dranlassen für nächste W oche. Deutsche Meisterschaft im Präzisionsplanieren … meinst du, der Fricker hat da eine Chance, gegen all die Profis da droben?«
    Bene winkte ab.
    »Isch doch scheißegal! Das wird ein sakrischer Fez! Ich war noch nie an dieser komischen Ostsee.«
    »Wo ist das eigentlich?«
    »Keine A hnung. Im Osten wahrscheinlich, sonst tät’s ja nicht Ostsee heißen, oder?«
    Bene nahm noch einen Schluck aus der Obstlerflasche.
    »Das wird ein Huraments-Spaß da oben, des sag ich dir! W eil die W eiber droben an der Küste, die sind scharf wie drei Sack voll Ratten, wegen dem Salz und dem W ind, verstehst? Die vögeln alles, was ihne über’n W eg lauft …«
    Schorsch wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Manchmal war es nicht so ganz klar, ob der Bene etwas ernst meinte oder nur irgendeinen Mist daherredete, um die anderen zu verarschen. A ußerdem machte Bene sich immer über den Ewald lustig, vor allem darüber, dass der kein Mädchen hatte. Schorsch erinnerte sich allerdings nicht ganz so gern an den »Marktplatz-Fez« vor ein paar Jahren, als sie alle dem Ewald einen ziemlichen Scherz gespielt hatten. Der hatte nämlich beim W ettplanieren in der Kiesgrube ein Mädchen kennen gelernt und sich mit ihr, weil er wegen der Mutter nicht nach Hause gehen konnte, in den alten Bauwagen hinter der Maschinenhalle verzogen. Der Bene hatte das mitgekriegt und sofort einen Plan gehabt. W eit nach Mitternacht hatten sie alle den Bauwagen mit Dachlatten zugenagelt, ihn mit dem alten 408er Mercedes mitten auf den Marktplatz von Ratzisried geschleppt und dann noch ein handgemaltes Schild dran genagelt:
    »Bite nicht stöhren / duh not dischtörb – Ewalt Friggr!«
    Jeder, der den Ewald
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