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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
Autoren: Jockel Tschiersch
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Liebhaber und Chef der Planierraupen hatte sie wirklich bis ganz nach oben geschoben, sein Betteln um Bestätigung jedoch ging ihr auf die Nerven, ein wenig zumindest. A ber so waren sie eben, die W estler.
    Die Sonne stand schon hoch über dem Hochgrat, es war ein wundervoller Samstagnachmittag, der Nachmittag hielt alles an A llgäuer Postkartenkitsch, was der Morgen versprochen hatte. Das weiße Mercedes-Cabrio vom T yp SLC mit Kompressor kam langsam auf das A real gefahren, vorsichtig geradezu, kaum Staub aufwirbelnd, gesteuert wie auf rohen Eiern, auf die V ermeidung von Steinschlag bedacht, und rollte langsam auf dem Rollsplitt aus, direkt neben dem Podium, das Zimmerleute aus Kanthölzern und Bohlen zusammengenagelt hatten. Karin Zwerger stieg aus, mit einem Hauch von Mühsamkeit. Sie hatte ein dunkelrotes Kleid an, das ihren weiblichen Körper freundlich umschmeichelte, dazu trug sie hochhackige schwarze Schuhe, die ihren Gang auf dem Kies ein wenig unsicher wirken ließen. Ihr Haar hatte sie hochgesteckt, um die Schultern eine schwarze Stola gelegt. Karins Rückzug aus der ehemals väterlichen Firma und ihr zunehmendes Engagement für wohltätige Zwecke hatten sie ein wenig voller werden lassen, was man auch im Gesicht sah. Karin lächelte den Menschen zu, die sich in der Kiesgrube versammelt hatten, sie kannte ja fast jeden, als T ochter vom alten Poschedsrieder. Halb Ratzisried war hergekommen, das Sommerfest war ein fester Bestandteil im gesellschaftlichen Leben der Gemeinde. Karins V ater hatte es vor zwanzig Jahren ins Leben gerufen, wenn auch kleiner, mit drei Bierbänken und einem Fass Freibier, und damals hatte Karin immer an einem kleinen T isch gestanden und Leberkäs-Semmeln verteilt.
    Die »Weissachtaler Buben«, die führende und einzige Blaskapelle aus Ratzisried, spielten bereits, der Metzger Holdenried hantierte mit drei üppigen Fleischerei-Fachverkäuferinnen in seinem Imbisswagen, und es roch schon nach Bratwürsten und gegrillten Schweinesteaks. Karin schüttelte Hände, begrüßte alte Bekannte, ehemalige Schulfreunde, den Bürgermeister, und gefiel sich in ihrer Rolle als Gastgeberin.
    Karin freute sich auch, Rita Zieschke unter den Gästen zu entdecken: Ihr Mann Karl hatte eine gute Entscheidung getroffen, sie einzustellen. Frau Zieschke machte gute A rbeit als Disponentin, der frische W ind im Büro tat ihrem Mann gut. Diese Rita ließ ihrem Karl einfach die Schlampereien nicht durchgehen, die sich im Laufe der Jahre eingeschlichen hatten. Eine bessere A usnutzung des Maschinenparks und die Optimierung des logistischen A blaufs hatten sich bereits sichtbar in der ersten Quartalsbilanz nach Frau Zieschkes Eintritt in die Firma gezeigt. Die hatte wahrscheinlich im Osten noch gelernt, wie man das Optimale aus Material und Menschen herausholte, weil man da ja nichts hatte. Und Karl war kein promovierter Betriebswirt, sondern ein schlitzohriger A utoverkäufer mit Organisationstalent, aber so etwas hatte auch seine Grenzen. Im Betrieb mochte man die Zieschke, obwohl viele am A nfang die Nase gerümpft hatten ob Karls Zwergers Entscheidung, als Disponenten eine Frau einzustellen, noch dazu eine aus dem Osten, die Land und Leute nicht kannte. A ber die »Ossi-Rita«, wie manche sie scherzhaft nannten, hatte sich ganz gut akklimatisiert. Karin wunderte, dass Frau Zieschke keinen Mann hatte, aber wahrscheinlich war sie wählerisch, und das gefiel Karin. Für eine Frau wie diese Rita war es natürlich nicht einfach, unter den Ratzisrieder Holzköpfen etwas Passendes zu finden.
    »Das Fest wird Ihnen gefallen, Frau Zieschke, wir machen das jedes Jahr. Die Männer haben so einen Spaß mit den Raupen.« Rita war für einen Moment irritiert, sie hatte Karin Zwerger gar nicht kommen hören.
    »Klar, Frau Zwerger. Hauptsache, die Kerle können sich kloppen, und wenn sie’s mit Planierraupen machen.«
    Karin Zwerger lachte.
    »Das haben Sie schön gesagt, Rita. Es sind halt doch rechte Kindsköpfe, die Männer, aber das wissen wir ja.«
    Rita lächelte, so gut ihr das gelang.
    »Und wie soll das nun ablaufen?«
    Karin Zwerger zeigte auf die Kiesfläche vor dem hölzernen Podium, wo mit rot-weißen Bändern der Parcours abgesteckt war. In einer Reihe waren nebeneinander fünf identische Kieshügel aufgeschüttet, von vielleicht einem Meter Höhe, in einem A bstand von jeweils fünf Metern. Jeder Hügel hatte ein V olumen von exakt zehn Kubikmetern. Rote A bsperrbänder führten von der Startlinie, die
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