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Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe

Titel: Rita und die Zaertlichkeit der Planierraupe
Autoren: Jockel Tschiersch
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Ewalds Mutter hatten sie auch gehabt, weil die immer mit Kopftuch, Kittelschürze, grantigem Gesicht und einer für ihre Größe unverhältnismäßig wuchtigen Mistgabel in Erscheinung trat.
    Mit sechs konnte Ewald den T raktor fahren, den alten luftgekühlten Eicher-Diesel mit 18 PS , den der Großvater zurückgelassen hatte. Und an seinem siebten Geburtstag schaffte er eine A cht rückwärts, mitsamt dem kleinen Mistanhänger hintendran, wenn es sein musste, auch dreimal hintereinander. A uf die Frage von Frau Brillisauer jedoch, seiner Lehrerin, wie viel drei mal acht waren, sagte der Ewald dann lieber wieder gar nichts. Heute wäre der Ewald zweifellos das umsorgte Opfer mannigfaltiger Betreuungsmaßnahmen für Kinder mit signifikanter Lernbenachteiligung oder V erhaltensauffälligkeit, aber in Ratzisried hatte es damals noch nicht mal so etwas wie eine Hilfsschule gegeben. A lso zog man den Ewald durch bis zur achten Klasse, ob er nun redete, rechnete oder schrieb oder eben all dies nicht tat. Dafür befuhr er mit dem alten Eicher Diesel das unwegsame Gelände hinter dem Hof, auch dort, wo andere schon lange nicht mehr fuhren. Er durchquerte die W eissach bei Hochwasser und wusste instinktiv, dass man da viel Schwung brauchte, um nicht stecken zu bleiben. Einmal jagte er den alten Eicher sogar die steile Flanke des Grenis-Hügels hinauf, wofür er von seiner Mutter heftigst ausgeschimpft wurde.
    »Hast jetzt du Hallodri nix anderes zum tun, als wie mit dem alten Glump den Grenis-Hügel ’naufzufahrn!«
    Seiner Freude, diesen Steilhang bezwungen zu haben, hatte das allerdings keinen A bbruch getan.
    Und wenn es abends dunkel wurde auf dem Grenis-Hof, die Sonne verschwand auch im Sommer schon nachmittags hinter den Hügeln, holte Ewald das alte W eltmeister-Akkordeon des Großvaters heraus, das er auf dem staubigen Dachboden entdeckt hatte. Niemand hatte ihm gezeigt, wie man damit spielt. Und was eine T onleiter oder gar ein A kkord waren, wusste er natürlich auch nicht. A ber Ewald hatte Ohren, um zu hören, und nach und nach hatten seine Finger auf den T asten immer sicherer die T öne gefunden, die er im Ohr hatte. Zuerst war es V olksmusik gewesen, die er in dem alten Saba-Radio gehört hatte, wo immer der Bayern 1 eingestellt war, weil seine Mutter nicht wusste, wie man einen anderen Sender suchte. W enn Ewald am Sonntag nach der Kirche nach Hause kam, ging er in seine Kammer und versuchte auf dem A kkordeon herauszufingern, was Frau Brillisauer beim Gottesdienst auf der Kirchenorgel gespielt hatte. Ewalds Mutter allerdings mochte sein Spiel nicht.
    »Jetzt ist aber mal Schluss mit dem Gedudel! Da wird man ja narrisch davon!«
    Trotzdem hatte Ewald große Freude am Spielen, aber diese Freude behielt er für sich und schloss auch das A kkordeon immer in seinem Schrank weg, wenn er zur Schule ging. A ls die gleichaltrigen Jungs aus seiner Klasse begannen, den Mädchen nachzustellen, hatte Ewald schnell merken müssen, dass es tausendmal leichter war, ein Lied auf dem A kkordeon nachzuspielen, als mit einem Mädchen ins Gespräch zu kommen. Eigentlich hätte er den Mädchen auch gerne mal etwas vorgespielt, aber von denen wusste ja keine, dass er ein A kkordeon hatte.
    Als der Ewald mit 16 seiner Schulpflicht Genüge getan hatte, hatte ihn die Mutter kurzerhand zur Kiesgrube vom alten Erwin Poschedsrieder gebracht, die am anderen Ende des Dorfs in einer W aldlichtung lag.
    »Pass auf, Poschedsrieder: Schaffen kann der Bub und Bulldog fahren auch. Der braucht eine A rbeit, der frisst mir noch die Haar’ vom Kopf!«
    Poschedsrieder hatte Ewald fast gnädigerweise zur Probe auf eine uralte Fiat-Allis-Planierraupe gesetzt. Ewald hatte sich einen T ag lang mit der A llis in die hinterste Ecke der Kiesgrube verzogen, dort, wo schon lange nichts mehr abgebaut worden war, die Kiesflächen überwuchert waren und am W ochenende die Motocross-Jungs vom neu gegründeten MSC Ratzisried mit ihren alten Maicos und Jawas trainierten. A m nächsten T ag war Ewald mit der Raupe vors Büro gefahren und hatte dem Erwin Poschedsrieder gezeigt, was man mit einer Fiat-Allis alles machen konnte. Erwin Poschedsrieder hatte mit einem Blick gesehen, dass da ein T alent auf dem Gerät saß und Ewald eingestellt, ungeachtet dessen, was er sonst an Qualifikation mitbrachte. Das war jetzt fast schon 25 Jahre her, aber seit dieser Zeit musste immer Ewald ran, wenn es beim Poschedsrieder etwas Schwieriges zu planieren gab.
    Ewald fühlte mit
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